|
Eines Tages fand ich mein Spiegelbild zum Weinen. Also ging ich zum Friseur. Eine freundliche junge Frau schnitt an meinem Schopf herum und bald konnte man ein haariges Muster auf den weißen Bodenfliesen erkennen.
Zu Hause betrachtete ich meinen Musterkopf im Spiegel und war entsetzt. Doch irgendwann gewöhnte ich mich an meinen Kurzhaarschnitt.
Als mein Haar erneut reif zur Wäsche war, begann erst die Misere! Was macht man mit nach allen Seiten abstehenden Zotteln, die sich nicht in Form kämmen lassen? Ich griff tapfer zum Fön. Aber zur Haar-Verschönerin bin ich anscheinend nicht geboren, denn das Ergebnis meiner Bemühungen machte mich wütend.
Derartige Schreckensminuten versüße ich mir immer mit einem Cappuccino. Beim Genießen des heißen Getränks blätterte ich in einer Frauenzeitschrift, die - unverlangt - in meinem Briefkasten gelandet war.
Die Rettung schien nahe! Auf fünf Seiten lächelten mir hübsche Frauengesichter mit durchgestylten Frisuren entgegen. Das Fach-Chinesisch der erklärenden Zeilen dazu bereitete mir einige Schwierigkeiten. Ein "Eyecatcher" zum Beispiel war mir völlig unbekannt. Ich stellte mir ein Gerät darunter vor, mit dem man sich selbst ins Auge haut, passend zum neuen Stil.
Zuerst fiel mir eine Frisur mit sogenanntem "Soft-Look" ins Auge, die aber nicht für mich in Frage kam, weil man das Haar hierfür in Wirbelhöhe verknotet. Verknoten Sie mal streichholzkurze Strähnen! Das war ein Supertipp für Frauen mit ultralangen Naturlocken - ach ja, das war einmal! - ich fing gar nicht erst damit an.
So ließ ich meine kritischen Blicke weiter auf den Kurzhaarfrisuren ruhen. Einen "Fifties-Touch" für den kurzen Bob mit angestuftem Nacken fand ich für mich zu gewagt.
Für einen ultralangen Bob hatte man seine Haare mit Gel-Wachs eng an den Kopf zu klatschen, aber damit hätte mein edles Haupt wie eine geschälte Birne ausgesehen. Der witzig e Schnitt für den fedrigen "Garcon-Stil" mit superkurzem Pony sagte mir ebenfalls nicht zu, denn auf dem Foto wirkte diese Frisur wie die eines Zirkuspferdes.
"Ich könnte mein Haar auch eigenhändig zu einem Rundling durchstufen", sagte ich zu mir. Den hätte ich allerdings mit einem "Diffusor"-Fön trocknen und zurechtkämmen müssen. Ich hatte aber keinen Diff... (was war das nun wieder?), aber egal!
Beim "Punk-Touch" sollte man ein "Shining-Gel" ins superkurze Haar geben. Ich wußte aber nicht, wie mein Schopf hinterher "shinen" würde; das wollte ich lieber nicht riskieren.
Und einen austoupierten Pony fand ich geradezu albern. Ich konnte mich weder zu einer "Banane" mit halber Länge noch zu einem Stufen-Bob im "Grunge-Look" durchringen. Völlig schleierhaft war mir, was ich mit einer Skelettbürste anfangen sollte - vielleicht erst mal bis zum Knochengerüst abmagern, weil einem die Frisur dann besser steht? - und mit einem "Hot-Curler" hätte ich mir nur das Haar angesengt. Mir war klar, für den Beruf eines modernen Figaros schien man ein besonderes Studium zu benötigen. Den kinnlangen Bob würde ich vielleicht gerade noch hinkriegen, aber bei den anderen sogenannten Looks müßte ich passen.
Da bleibe ich doch lieber eine bescheidene Hausfriseuse, die ihr Haar selbst stuft, lockt, bobbt oder softet, und die Mann und Kindern einmal im Monat einen schönen alten Pottschnitt verpaßt, echt "cool" und völlig natürlich. Aber nein, selbst das kann ich nicht.
|
|