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Betriebsratsbildung erleichtert

 
     
 
Gegen massiven Widerstand der Wirtschaft ist im Sommer das novellierte Betriebsverfassungsgesetz in Kraft getreten. Vor allem kleinere Betriebe befürchten nun, daß ihnen von der Gewerkschaft ein Betriebsrat übergestülpt wird - auch wenn eine Mehrheit der Mitarbeiter daran eigentlich kein Interesse hat.

Erklärtes Ziel der Bundesregierung war es, die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern. Ins Visier genommen hatte sie dabei vor allem den Mittelstand, der nach ihrer Auffassung noch viel zu oft eine betriebsratsfreie Zone ist. Und tatsächlich spiegeln die nack-ten Zahlen einen Handlungsbedarf vor - der so aber gar nicht existiert.

Von den Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern hat nicht einmal jede dritte einen Betriebsrat. Doch auch ohne formelles Mitbestimmungsgremium kommen die Arbeitnehmer
in diesen Unternehmen nicht zu kurz, weil sie ihre Angelegenheiten mit dem Chef auf dem kleinen Dienstweg regeln. Von dieser gelebten Mitarbeiterbeteiligung wollten Riester & Co. aber nichts wissen. Für die Hardliner in den Gewerkschaften existiert Mitbestimmung ohnehin nur dann, wenn sie zuvor in Paragraphen gegossen wurde.

Dementsprechend hat man ein vereinfachtes Wahlverfahren für Kleinbetriebe eingerichtet - in der Hoffnung, daß die Zahl der Betriebsräte dadurch steigt. In Betrieben mit fünf bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern wird der Betriebsrat nun in einem zweistufigen Verfahren gekürt: Auf einer ersten Betriebsversammlung wird der Wahlvorstand bestimmt. Auf der zweiten Versammlung sieben Tage später wird dann der Betriebsrat geheim und unmittelbar gewählt. Immerhin entspricht diese Regelung nicht mehr dem ursprünglich vorgesehenen Hauruck-Verfahren, bei dem innerhalb einer einzigen Sitzung die Kandidaten vorgeschlagen, vorgestellt und gewählt werden sollten.

Zu beißen hat die mittelständische Wirtschaft vor allem an den größeren Betriebsräten und an den zusätzlichen Freistellungen:

• Die Betriebsräte werden personell aufgestockt. In Unternehmen mit 101 bis 150 Beschäftigten gehören dem Betriebsrat künftig sieben statt fünf Mitglieder an.- Die Zahl wird sich aber auch durch die Hintertür weiter erhöhen: Zu den Arbeitnehmern des Betriebes, die über die Zahl der Betriebsratsmitglieder entscheiden, gehören künftig auch Leiharbeitnehmer, sofern sie länger als drei Monate eingesetzt werden. Insgesamt wird durch diese und die anderen Neuregelungen die Zahl der Betriebsratsmitglieder in Deutschland von derzeit 250.000 auf schätzungsweise 300.000 steigen.

• Betriebe müssen schon ab 200 Mitarbeitern einen Betriebsrat vollkommen von der Arbeit freistellen - bisher lag diese Grenze bei 300 Beschäftigten. Jeder freigestellte Betriebsrat kostet ein Unternehmen durchschnittlich 61.400 DM - so viel machen die Arbeitskosten derzeit im Schnitt aus.

Das vereinfachte Wahlverfahren wird allein die Betriebe mit weniger als 51 Mitarbeitern mit einer Milliarde DM im Jahr belasten, wenn sich der Anteil der Firmen mit Betriebsrat verdoppelt. Die zahlenmäßige Aufstockung der Betriebsräte kostet die Unternehmen zusätzlich rund eine Milliarde DM, weil ein Teil der Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit draufgeht. Die verschärfte Freistellungspflicht schlägt mit knapp einer halben Milliarde DM zu Buche.

Neben den höheren Kosten sehen die Firmen auch politische Auseinandersetzungen auf sich zukommen. Auf den Betriebs- und Abteilungsversammlungen sowie auf der Betriebsräteversammlung kann nun über umweltpolitische Themen ebenso diskutiert werden wie über die Integration ausländischer Mitarbeiter und einschlägige Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. iwd

 
     
     
 
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