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Wir aber haben dieses Landes nicht vergessen und nicht seines Dichters, bei dem kein Geringerer als Goethe an den Sänger der Ilias und der Odyssee gedacht hat", schrieb Ernst Wiechert in einem Manuskript zum Vorwort der geplanten Neuherausgabe der "Jahreszeiten" von Christian Donalitius und nannte dieses Vorhaben eine "schöne Verpflichtung". Zu der Publikation ist es dann doch nicht gekommen; erst jetzt, 50 Jahre später, hat sich Lutz Wenau aus Lilienthal daran gemacht, Die Jahreszeiten von Christian Donalitius in der Übersetzung von Ludwig Passarge aus dem Jahr 1894 im Selbstverlag wieder herauszugeben (230 Seiten, zahlr. sw Illustrationen von V. K. Jonynas und V. Jurkunas, brosch., 27 DM, zuzügl. Versandkosten 3 DM; zu bestellen bei Lutz Wenau, Am Königsdamm 10, 28865 Lilienthal).
Auf der Suche nach den eigenen Wurzeln war Wenau auf Donalitius (oder lit. Donelaitis) gestoßen, der vor 285 Jahren am 1. Januar 1714 in Lasdinehlen bei Gumbinnen als Sohn eines Freibauern geboren wurde. Er besuchte die Bürgerschule auf dem Kneiphof in Königsberg und studierte an der Albertina Theologie. Dort konnte er auch seine Kenntnisse über seine Muttersprache im "Lithauischen Seminar" vertiefen. Überhaupt war Donalitius ein Sprachgenie; so soll er neben Deutsch und Litauisch auch Griechisch, Lateinisch, Hebräisch und Französisch so gut beherrscht haben, daß er Gedichte in diesen Sprachen verfaßte.
Seine größte Leistung aber war ohne Zweifel die Dichtung "Die Jahreszeiten", die er bereits lange Jahre vor Klopstock in Hexametern niederschrieb und die in bildhafter Sprache vom Landleben in Preußisch Lithauen künden.
Auch seine ersten dichterischen Versuche, Fabeln im Stil von Äsop (ebenfalls im Band enthalten), zeigen die hohe Begabung des Christian Donalitius, der als Kantor und Rektor in Stallupönen (17401742) und als Pfarrer in Tollmingkehmen (1743 bis zu seinem Tod am 18. Februar 1780) seinen Lebensunterhalt verdiente und nebenher mit großer Fertigkeit Thermometer und Barometer sowie zwei Flügel und ein Klavier baute.
Seine Dichtungen wurden allerdings erst posthum veröffentlicht, darunter die Übersetzung des "Richters und Dichters" Ludwig Passarge. "Es giebt Stellen in diesem Gedichte, die an erhabener Schönheit ihres Gleichen suchen", so Passarge über dieses "einzige in littauischer Sprache geschriebene Kunstepos" und heute fast vergessene Meisterwerk der Weltliteratur.
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