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Am Rande des Dorfes, dort, wo die Straße zum See hinführte, standen drei große Linden. Alte Bäume waren es, denn sie waren so groß und dick wie kein anderer Baum in der Umgebung. "Bis in die Wolken reichen ihre Spitzen", meinte einmal ein alter Mann, "und vielleicht noch höher." Nicht einmal der große Birnenbaum, der bei uns am Eingang zum Hof seine Äste in den Himmel streckte, konnte den Linden Konkurrenz bieten, und auch ihm hatten Sturm und Wetter mehr als ein ganzes Leben lang durch die Äste gefegt. > Wie die Leute sagten, paßten die drei nicht in unsere Umgebung. Gewiß, derartige Bäume gab es auch bei uns. Man fand sie an den Straßen und bei diesem und jenem Hof. Sie waren aber nie so groß und wuchtig wie die Linden am Rande unseres Dorfes.
Eigentlich kümmerte sich niemand im Dorf und in seiner Umgebung um die alten Recken. Sie waren schon immer da, und so sollte es auch weiter bleiben. Gewiß, wenn der Blitz und das Wetter einmal durch ihre Äste gefegt wären, hätte man bestimmt mit Säge und Axt den Schaden behoben. Aber weder Blitz noch Sturm taten den Bäumen einen Schaden. An den Bäumen in der Nähe der Linden konnte man gelegentlich die Untaten des Wetters wahrnehmen. Den drei Gesellen aber tat das Wetter keinen Schaden an. Eine schützende Hand schien sich um sie gelegt zu haben und bot ihnen Ruhe.
So geschah es dann einmal, daß ich den Großvater nach den Linden fragte und ihn bat, mir etwas über sie zu erzählen. Den Birnenbaum am Tor hatte er gepflanzt und noch andere Bäume, und er hatte darauf geachtet, daß sie so wuchsen und ihr Geäst so ausbreiteten, wie es sich gehörte. Für mich war der Großvater derjenige, der über alles Bescheid wußte und davon berichten konnte. Genau so wie seine Hände war auch ihre Rinde zerrissen und voller Falten, und man hatte meinen können, sie wäre mit ihm zusammen durch die Zeit gegangen. Von dem Bauern und seiner Frau, die bei den Linden einen Hof hatten, berichtete er. Eines Tages hatte sie ein Blitz erschlagen, und das Gehöft mit all seinem Vieh verbrannt.
Wir saßen am Fuße eines der Bäume und hörten dem Summen der Bienen zu. Ein schöner Duft erfüllte die Luft. Voller Blüten waren die Bäume, und Mütter und Frauen trugen dem Mannesvolk auf, ein Säckchen voller Lindenblüten zu pflücken. Sie alle mochten Lindenblütentee. Mit Honig schmeckte er sogar noch besser. Und dann hörte man den Ruf der Eule, die irgendwo in einem der drei Bäume saß. "Die Eulen sind schon lange hier", meinte der Großvater, "das Wetter gibt auch ihnen Ruhe." Freundschaft hatte er mit den grauen Gesellen geschlossen und Freundschaft hatten auch sie mit ihm geschlossen. Scheue Gesellen waren es, welchen man nur gelegentlich begegnete. Wenn es dunkel wurde und die Menschen sich zur Ruhe legten, machten sie sich auf den Weg, und man hörte dann und wann ihr "Komm mit". Ich mochte diesen Gesang, und vom Großvater hatte ich in Erfahrung gebracht, daß er auch ihm gefiel.
So verging dann die Zeit. Der Großvater sagte der Welt seinen Abschied, und man legte ihn dort, wo seine Eltern und die davor lagen, zur ewigen Ruhe. Der Wind trieb mich von einer Richtung in die andere, und ich hatte nicht mehr Zeit, an zu Hause und das, was mir lieb und wert war, viel zu denken. Die drei Bäume am Rande des Dorfes zeigten den Menschen noch immer ihr schönstes Gewand. Dann aber, als ich eines Tages nach Hause kam, erfüllte mich ein großer Schrecken. Nur zwei Linden blickten über das Land. Die dritte hatten Wind und Wetter zerschmettert. Nur ein Stück des Stammes erinnerte noch an den Baum. Und weil der Großvater nicht mehr da war, fragte ich den Vater: "... und wo sind die Eulen? ..." Ich hatte ihren Ruf nicht wahrgenommen, und ihr abendlicher geisterhafter Flug war entschwunden. Eine Antwort gab mir der Vater nicht. Ich hatte das Gefühl, er wollte alleine sein, und so fragte ich nicht weiter.
Und dann, nach einiger Zeit, wurde auch die zweite Linde vom Unwetter aus dem Boden gerissen. Die Leute im Dorf redeten nicht davon. Sie dachten aber daran. Auch ihnen war ein Stück des Herzens aus der Brust gerissen. Ich dachte an die alte Bäuerin, die auf dem Hof auf dem Abbau wohnte. "... eine große Not, Hunger und Tod werden über das Land kommen, der Herrgott hat es den Menschen gesagt, darum sind nicht mehr alle Linden da ..." Ich hatte ihre Worte gehört. Es war schon einige Zeit her. Von den Linden und den Bäumen hatten wir geredet. "Bleib noch einige Tage hier, schöne Strümpfe werde ich dir aus der Wolle stricken", sagte sie, "kalt wird es werden und Sturm und Regen werden die Menschen von zu Hause vertreiben." Nun, auch die alte Bäuerin sagte der Welt ihren Abschied. Von den grauen Strümpfen hatte ich nie mehr etwas gehört, und auch nicht von den Eulen. Nur einmal, als man mich in ein anderes Land schickte und ich am Rande eines Wassers saß und von zu Hause träumte, hörte ich aus der Ferne das Lied der grauen Nachtvögel. "Komm mit, komm mit ...", klang es aus der Ferne.
So verging dann die Zeit. Ich dachte nur wenig an zu Hause. Der Hof, das Dorf und das Land gehörten nicht mehr zu uns. Andere Menschen hatte man dahin geschickt. "Geh nicht mehr dahin", sagte der Cousin aus Amerika und reichte mir einige Bilder, die er in dem verlorenen Land gemacht hatte. Ich fragte nicht viel danach. Nur eines bat ich mir aus. Ein riesiger alter Baum stand auf der Weide. Er war alleine. Zwei seiner Gefährten hatte das Unwetter vernichtet. Aber das ist schon lange her, und ich weiß nicht, ob in diesem Baum die Eulen immer noch wohnten. Dann aber, als ich mich am Abend vor die Tür setzte, hörte ich ihr liebliches Lied aus der Ferne. "Komm mit, komm mit", sangen sie mir da. "Von zu Hause habe ich geträumt", sagte ich zu meiner Eheliebsten. Das Lied der Eule war ihr frem |
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