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Der Ziegeldächer Zauber endet nicht./ Wie zieht zu ihnen hin ein heimlicher Magnet!/ Sprich doch mit mir, o meine Stadt!/ Es gibt mit dir noch etwas zu besprechen", liest man in einem Gedicht von Apollinaria Sujewa. "Ihre" Stadt ist Königsberg, das heute Kaliningrad genannt wird. Dort wurde sie 1951 geboren, dort lebt sie auch heute mit ihrer Mutter, einer Biologin, und ihren beiden Söhnen in einer alten Villa an der Pillauer Straße. In ihren Gedichten beschäftigt sich die Russin immer wieder mit der deutschen Vergangenheit ihrer Vaterstadt, mit den Menschen, die einst dort lebten, mit der unvergleichlichen Landschaft der Kurischen Nehrung. Ein prägendes Erlebnis hatte Sujewa, die in Königsberg russische Philologie studierte und ihre Examensarbeit über E. T. A. Hoffmann schrieb, nach 1990 in der Begegnung mit deutscher Literatur, vor allem aber mit den Gedichten Tamara Ehlerts, die sie ins Russische übersetzte. Nicht zuletzt tragen Frauen wie Apollinaria Sujewa viel dazu bei, daß die Kluft zwischen den alten und neuen Bewohnern Königsbergs kleiner wird. o-n
Nächtliche Fahrt auf der Nehrung von APOLLINARIA SUJEWA
Eine Leere im Herzen wie im Herbst.
An der Seele kratzen zehn Katzen.
Doch es bleibt noch ein letztes Mittel
eine nächtliche Fahrt auf der Nehrung.
Dort, wo Glaube und Kiefer
und Hoffnung,
auf der Nehrung,
der Nehrung, der Nehrung,
wo im Fernlicht
der Scheinwerfer Mäuse
eilig dahingleiten auf der Chaussee.
Wo ein Schwarm von
Mitternachtsfaltern
an den Scheiben die Flügel zerschlägt,
wo so einfach die nächtliche Straße
in den nächtlichen Himmel eingeht.
Und während sie heilend
dich schaukelt,
aus den Wimpern die Tropfen dir fegt,
wendet die Nehrung
dich wieder zum Leben.
Du bist allein.
Doch gewannst du den Preis.
Übersetzung: Brigitte Schulze
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