|
Hermann Bahr, einer der gefürchtetsten Literatur-Kritiker und Schriftsteller, immer auf die Mentalität der Leser bedacht, wurde zeit seines Lebens nicht zu Unrecht ein "wandelndes Literatur-Lexikon" genannt. Wie es schien, waren alle dichterischen Werke, wie Romane, Dramen und Essays auf ihn zugeschnitten, so daß man ihn mit seinen Kritiken ernst nahm. In fast allen literarischen Zweifelsfragen konnte man ohne weiteres von ihm eine erschöpfende Auskunft bekommen, die natürlich seiner sprichwörtlichen Eitelkeit schmeichelte ...
Eines guten Tages sprach man angeregt in einem Literaturzirkel über Neuerscheinungen eines neu entdeckten Talents in der Literatur mit dem seltsamen und in diesen Kreisen noch nie gehörten Namen Harescu. Natürlich hatte man nichts Eiligeres zu tun - darunter auch angesehene Buchhändler - , als Hermann Bahr um seine Meinung zu fragen.
"Aber gewiß, Freunde", erklärte er, wie immer mit der Präzision eines Uhrwerks, "die Werke dieses bedeutenden japanischen Gelehrten eifern dem Geist eines Schopenhauer nach. Man wird sich dieses Genie aus dem Fernen Osten sehr genau merken müssen." Noch am selben Abend fühlte sich Hermann Bahr bemüßigt, für eine bekannte Literaturzeitung ein Feuilleton zu verfassen. Gelesen hatte er zwar noch nicht von dem neuen Genie aus Japan, aber ihm genügte es, daß man sich mit dem Namen Harescu in der Gesellschaft beschäftigte.
Nach Erscheinen seines Artikels über den japanischen Philosophen Harescu bekam die Redaktion eine Fülle von Leserbriefen; vor allem wollte man wissen, wann mit dem Erscheinen seiner Werke zu rechnen sei? Zu guter Letzt forderte eine Literarische Gesellschaft Bahr zu einem Vortrag über diesen Harescu auf. Doch einige der Feuilletonisten hüllten sich jäh in Schweigen. Durch einen vermaledeiten Satzfehler waren Bahr und seine Freunde fürchterlich hereingefallen: Zwar gab es einen neuen Stern am Literaturhimmel, der aber hieß schlicht und recht Hamsun, nämlich Knut Hamsun. - Diesen Reinfall vergaß man Bahr über lange Jahre nicht . |
|