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Der Bahnsteig war schwarz vor Menschen; alle wollten auf dem schnellsten Weg nach Hause. Plötzlich ging es wie eine Welle durchs Menschenmeer, Unruhe machte sich breit. Die Männer und Frauen murmelten vor sich hin, einige rückten respektvoll zur Seite, andere schüttelten verständnislos die Köpfe. Zwei Mädchen preschten an ihnen vorbei, lachten und waren selig. Mädchen, wie man sie heute überall sieht, fröhlich und unbefangen, für einen Streich durchaus zu haben, Kinder fast noch - die eine auf Krücken, die andere in einem Rollstuhl. Wie selbstverständlich gingen die beiden mit ihrer Behinderung um.
Im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung sind die Themen Anderssein und Toleranz wieder ein wenig mehr in den Blickpunkt all derer gerückt, die gesund sind und nicht den täglichen Kampf mit dem Unverständnis der Mitmenschen ausfechten müssen. Wie Kinder mit einer Behinderung umgehen und wie man Kindern die Behinderung eines anderen erklären kann, das zeigt ein Buch aus dem Annette Betz Verlag: "Meine Füße sind der Rollstuhl", geschrieben von Franz-Joseph Huainigg, der selbst im Rollstuhl sitzt, und illustriert von Verena Ballhaus. Besonders einfühlsam schildert der Autor die Geschichte von Margit, die seit ihrer Geburt gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen ist. Eines Tages darf sie für die Mutter ganz allein einkaufen fahren. Was sie dabei erlebt und sieht? Zunächst begegnet sie Staunen, Skepsis, Mitleid und allzu großer Hilfsbereitschaft. Das ärgert Margit, denn sie ist doch wie alle anderen Kinder auch. Erst als sie Sigi, einen dicken Jungen, der von den anderen gehänselt wird, kennenlernt, merkt sie, daß sie beide etwas ganz Besonderes sind ... Ein Kinderbuch, das Erwachsene nachdenklich stimmt und Kinder nicht zuletzt auch wegen der eingängigen Zeichnungen ansprechen dürfte. o-n
Franz-Joseph Huainigg: "Meine Füße sind der Rollstuhl", Annette Betz Verlag, Wien 2003, 32 Seiten, durchgehend vierfarbig illustriert von Ve-rena Ballhaus. Pappband, matt laminiert, 12,95 Euro; ab 5 Jahre |
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