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Erich Will erinnert sich an seine Arbeit als Kriegsgefangener in Sibirien

 
     
 
In Kriegsgefangenschaft in Kemerowo in Sibirien am Fluß Tom. Wir gingen schon in das fünfte Jahr, und Gesunde hatten noch keine Aussicht auf Entlassung. Ich war in der Stadt in einem Nebenlager, wo wir im Keller des Gebäudes, das wir auch gebaut hatten, unsere Unterkunft hatten. Dieses Lager würde mit der Fertigstellung der Baumaßnahme verkleinert und gar aufgelöst. Mit den letzten Gefangenen mußte ich nun auch in ein anderes Lager. Gleich über dem neu angelegten Platz wurde noch ein Behördenhaus erstellt. Da dieser Bau schon gut voran geschritten war, kam ich in eine Maurer
brigade, wo ich allerdings kaum einen Kameraden kannte.

Es war Ende April, von der Witterung her also schon wieder auszuhalten. Gemauert wurde mit normalen Ziegelsteinen. Von den Russen wurden wir sehr zur Arbeit angetrieben, den Keller, das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß fertigzustellen. Im zweiten Obergeschoß mußten wir nun unser Gerüst höher bauen. Die Außenmauern standen bereits auf Geschoßhöhe. Wir arbeiteten an den Mittelmauern, die den langen Flur bildeten. Kein Zwischengerüst blieb liegen. Unser Gerüstholz nahmen wir jedesmal mit höher, so daß wir bis auf den Kellerboden sehen konnten. Nur in größeren Abständen waren Eisenträger eingemauert, um die Flurdecken zu tragen. Wir waren ja nur Kriegsgefangene und durften keine Forderungen stellen! So hatte man uns vom Sägewerk Abschnittholz angefahren, das man einfach als "Schwarten" bezeichnen konnte. Dieses Schwartenholz war nun schon fünf- oder gar sechsmal verwendet worden. Und dort haben wir es geschafft, mit diesen Schwarten wieder ein Gerüst herzustellen. Sicherheitsabstützung konnte man nur da machen, wo gerade ein Eisenträger für die spätere Decke vorhanden war. Es kamen nun wieder Ziegel und Mörtel auf das Gerüst, zum Teil mit einem Aufzug, zum Teil getragen.

Zwölf Maurer waren dabei, gleichzeitig beide Seiten der Flurmauern von demselben Gerüst aus hochzumauern. Auf der Seite, an der ich mit einem Kameraden mauerte, waren zwei Öffnungen, die nicht so hoch wie normale Türöffnungen waren. Auch diese mußten wir abdecken. Ich hatte schon nach unten gerufen: "Legt die Betonstürze auf den Aufzug." Zu dieser Zeit waren genügend Mörtel und Steine auf dem Gerüst. Zu meinem Kameraden, der aus der Bremer Ecke kam und Heinz oder Heinrich hieß, sagte ich: "Komm, Hein, wir holen die Betonstürze vom Aufzug." Hein stand auf dem Aufzugspodest und ich ging einen Schritt hinterher.

In diesem Augenblick hörten wir es knacken - der erste Riegel war gebrochen. Durch die schwere Last brachen dann fast gleichzeitig alle Riegel. Mein Kamerad Hein drehte sich und hielt mich fest. Die ganze Mannschaft - zehn Maurer und sechs Träger - stürzten herunter, einige gleich bis auf den Kellerboden. Nur Hein und ich standen noch auf dem Aufzugsgerüst. Die Schreie der Kameraden hörten sich schrecklich an. Mit weichen Knien kletterten wir am Aufzugsgestell herunter, um zu helfen. Doch gleich wurden wir von unseren Bewachern in den anderen Seitenflügel getrieben, um dort andere Arbeiten auszuführen. Lastwagen, die erst halb beladen waren, mußten die Verletzten zum Krankenhaus Bolniza bringen. Von unseren Kameraden haben wir keinen mehr wiedergesehen. Die Russen sprachen nur von toten Fritzen, wie sie uns damals nannten!

Meinen Kameraden Heinrich habe ich dann auch verloren. Ich wurde zur Verbüßung einer Strafe in das Hauptlager verlegt. Diese Strafsache aber verhalf mir zur Heimfahrt im August 1949. Gibt es noch Kameraden, die sich an diese Zeit in Kemerowo erinnern? Ich gehörte damals zu den zehn Jüngsten im Lager von 2000 Gefangenen .
 
     
     
 
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