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Es war ja nicht immer so, daß verächtlich über "dumme Gänse" geredet wurde! Allerdings ist es schon lange her, daß die ehemals in ihrer Wildform schlanken, flugtüchtigen Vögel einen Hängebauch bekamen unter ihrem hübschen Federkleid. Da waren sie bereits Haustiere der Menschen geworden und hatten sich verwöhnen lassen. Sie machten sich beliebt und wurden dabei schwer und behäbig. Eine Gans war das Lieblingstier der ägyptischen Fruchtbarkeitsgöttin Isis, und sie wurde ihr auch geopfert - für eine gute Zukunft.
Die Gänsezucht am Nil verhieß Wohlstand und Reichtum. Deshalb war die Gans als Haustier sehr geachtet. Dort, wo die Gänse weideten, gediehen alsbald hübsche kleine Blume n, die wir heute Gänseblümchen, Maßliebchen oder auch Marienblümchen nennen. Immer noch sind sie der Gänse Lieblingsspeise und zeigen guten Boden an.
Auch im alten römischen Reich wurde die Gans heilig genannt und der Schutzpatronin Juno zugesellt. Zu Ehren dieser Göttin hielt man auf dem Kapitol Gänse. Hier durften sich die aufmerksamen Vögel als Verteidiger bewähren, denn als sie sich einmal durch unbekannte Geräusche zu nächtlicher Zeit gestört fühlten, hob ein lautes Geschnatter an, das die Wachmannschaft weckte. Die konnte den gallischen Feldherrn Brennus und seine Mannen rechtzeitig in die Flucht schlagen, und der geplante Anschlag des Feindes mißlang. Die Gänse hatten das Kapitol gerettet!
In Vorderasien und Griechenland war die Gans als üppig-zärtlicher Vogel der schönen Aphrodite geweiht. In der Antike schätzte man die Gänse auch, weil man ihnen die Tugenden Liebe und Treue zumaß, die Männer stets an Frauen verehren.
Aus den Aufzeichnungen Homers wissen wir, daß der Gänsebraten schon damals ein Gaumengenuß war. Gänseleber galt als besondere Delikatesse. Das "Stopfen" wurde wahrscheinlich von den Römern erdacht, weil sich durch solche Mastprozedur die Gänseleber stark vergrößert.
Auch unsere Vorfahren waren keine Kostverächter. Sie hielten riesige Herden dieser folgsamen Tiere und opferten sie nach einer guten Ernte ihrem Gott Wotan. In gewissem Sinn blieb die Gans bis heute ein Opfertier. Denn alljährlich werden zu St. Martin (11. November) sehr viele Gänse geschlachtet. Das kann aber doch nicht die Strafe dafür sein, daß die aufgeregten Tiere durch ihr lautes Geschnatter den jungen Ritter Martin verrieten, der sich vor den Kirchenmännern im Gänsestall versteckt hatte, weil er meinte, das Bischofsamt nicht ausüben zu können? Als er schließlich entdeckt wurde, nahm er die Bürde auf sich und konnte Kraft seines Amtes viel Gutes tun. Seither gelten Gänse als dumm. Denn sie haben zwar den guten Mann fürs Kirchenamt verraten, die Suchenden dabei aber auch daran erinnert, daß Gänsebraten eine köstliche Mahlzeit ist. Da nun der neue Bischof gefunden war, durfte gefeiert und gut gespeist werden.
Im Herbst jeden Jahres, wenn um den Martinstag die kalte Zeit beginnt, oder zu den Festtagen im Dezember entledigt man sich gern der Fresser, die man nicht über den Winter bringen will. Nur zum Eierlegen darf eine kleine Gänseschar überleben und hier und dort auch ein Gänserich, damit der Nachwuchs nicht ausbleibt.
Keine Gans kann ahnen, daß hochmütige Menschen Vergleiche anstellen ... |
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