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Jämmerlich eingeknickt

 
     
 
Am vorletzten Montag las man in den Zeitungen, der Landesgruppenchef der CSU im Bundestag, Michael Glos, habe erklärt, er könne sich "gut vorstellen, daß wir als Opposition eine Unterschriftenaktion gegen den EU-Beitritt der Türkei organisieren". Das meinte die CDU-Vorsitzende Merkel dann auch. Und der bayerische Ministerpräsident Stoiber hieb in dieselbe Kerbe. Am Donnerstag darauf rief mich morgens meine Tochter an, um mir mit Hohn in der Stimme vorzuhalten, ich hätte eine Wette verloren. Nicht nach 14 Tagen, wie ich ihr prophezeit hätte, sei die CDU/CSU-Führung eingeknickt, sondern schon nach vier Tagen. Ich mußte mich geschlagen geben; ich hatte die Standfestigkeit der Oppositionsspitze überschätzt. Was ist bloß mit der Führungsmannschaft der CDU los? Obgleich die Politik der Bundesregierung und der beiden sie tragenden Bundestagsfraktionen keinen Deut besser geworden ist und obwohl sich die Talfahrt
der deutschen Wirtschaft rasant beschleunigt, nimmt die Zustimmung der Wähler zur größten Oppositionspartei ab. Zwar hatte sie auch bisher keine überzeugenden Gegenpositionen zu wesentlichen Problemen der Politik aufzuweisen, doch setzte die übergroße Mehrheit der Bürger ihre Hoffnung mangels einer Alternative auf sie. Nun schwindet auch die Hoffnung dahin; von einer so orientierungslosen Führung der CDU ist keine Wende der Misere zu erwarten - zu diesem Schluß scheinen immer mehr Wähler zu kommen. Da äußern die Köpfe von CDU und CSU eine Idee, wie man die übergroße Mehrheit der Deutschen, die gegen einen EU-Beitritt der Türkei sind, politisch zu Worte kommen läßt, da fallen ihnen abgetakelte Politiker der eigenen Partei wie Ruprecht Polenz, Volker Rühe und Jürgen Rüttgers in den Rücken, als wenn es nicht genügte, daß die geschlossene Linke, von linksliberal bis linksextrem, in schrilles Protestgeschrei ausbricht. Das sind deutliche Anzeichen dafür, daß die CDU-Führung nicht nur kein fundamentales Konzept gegen die Murkserei der rot-grünen Politik hat, sondern daß sie sich auch nicht zutraut, sich kontrovers mit der Gegenseite auseinanderzusetzen. Zu wirklichen Grundsatzkonflikten ist die CDU nicht in der Lage. Daß eine Unterschriftenaktion gegen den Türkeibeitritt auf gegnerische Polemik stoßen würde, hätte die CDU-Führung bereits bei der Verkündung ihre Planes wissen müssen. Wenn nicht, dann ist sie nicht mehr von dieser politischen Welt. Und dieser heuchlerische Protest erhob sich denn auch. Eine solche Unterschriftenaktion sei "fremdenfeindlich" und "populistisch", sie richte außenpolitisch Schaden an, sie würde die "türkischen Mitbürger diskriminieren". Die gut organisierten Türken in der Bundesrepublik markierten wilde Empörung. Der Grund lag auf der Hand: Nachdem man in Hessen vor einigen Jahren bewiesen hatte, daß durch die Mobilisierung des Volkes - damals gegen die doppelte Staatsbürgerschaft - Wahlen zu gewinnen sind, wollte man der Opposition diese Waffe aus der Hand schlagen. Statt daß die CDU-Führung mit steifem Nacken den Disput aufzunehmen bereit war, knickte sie ein. Nun will sie es nicht mehr gewesen sein. Warum fehlt es an der notwendigen Courage? Man kann nur schlußfolgern: Zum einen ist die CDU-Führung weder willens noch in der Lage, einen harten Konflikt durchzukämpfen, denn dann ginge es an die grundsätzliche Auseinandersetzung über deutsche Interessen und Ziele einer deutschen Politik. Es ist zu befürchten, daß die CDU darauf keine Antwort wagt, weil ihr das feste Fundament fehlt. Zum anderen wäre im Zusammenhang mit der Befragung des Volkes das im Untergrund schlummernde Problem virulent geworden, ob man nicht mehr direkte Demokratie im Grundgesetz verankern müßte. Und angesichts der allgemeinen Angst vor dem Volke hätte die CDU es nicht gewagt, sich dazu zu bekennen. Nicht zuletzt vor dem Widerspruch der in Deutschland lebenden zwei Millionen Türken, die, wie sich jetzt zeigt, im Konfliktfall eindeutig für die Interessen der Türkei eintreten, hat sich die CDU in volle Deckung begeben. Da kann man sich ausmalen, was geschehen würde, wenn die angeblich ergebnisoffenen Verhandlungen über den Türkei-Beitritt zu einer Ablehnung führen würden. Dann wäre in Deutschland die Hölle los. So könnten im Land lebende Ausländer eine deutsche Regierung so unter Druck setzen, daß sie gegen deutsche Interessen verstoßende Politik macht. Es wird von Jahr zu Jahr deutlicher, wohin eine in großen Zügen verfehlte Politik Deutschland geführt hat. Und keine Kraft ist vorhanden, deren Kurs zu korrigieren! Dr. Hübner Angst vor offener Auseinandersetzung: Schon bei der Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft kam es zu Gegenwehr gegen die Unterschriftenaktion der CDU.
 
     
     
 
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