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Unter Konstitution versteht man das gesamte Erscheinungs-, Funktions- und Leistungsgefüge eines Individuums in seiner Erbbedingtheit und Umweltgeformtheit. Das Hauptgewicht liegt dabei auf relativ dauerhaften Zügen (während flüchtige Modifikationen, z. B. Tonusveränderungen im Laufe des Tages, im allgemeinen außer Betracht bleiben) und auf den funktionell wichtigen Merkmalen, die die Reaktivität des Individuums beeinflussen. Es gibt so viele Konstitutionen wie Individuen. Die Konstitutionsforschung versucht diese Mannigfaltigkeit zu ordnen, und zwar auf zwei Wegen. i. Sie sucht Gruppen ähnlicher individueller Konstitutionen als Konstitutionstypen zusammenzufassen. 2. Sie überprüft die Beziehungen der Konstitutionsmerkmale untereinander: »Konstitutionsforschung ist Korrelationsforschung« (K r e t s c h m e r). Die Korrelationen zwischen Körpermerkmalen und seelischen Eigenschaften oder Dispositionen haben dabei ein besonderes anthropologisches Interesse.
FAKTORENANALYSE. Die Entwicklung in der Konstitutionsforschung geht dahin, sowohl die Kovarianz der Merkmale wie die Gruppierung der Individuen mit immer exakteren Methoden zu erfassen. Am weitesten entwickelt ist dabei die Analyse des Körperbaus. Dafür wird vor allem die von der Psychologie entwickelte sog. Faktorenanalyse eingesetzt, die aus einer Korrelationsmatrix durch spezielle Rechenoperationen Faktoren herauslöst, die an der Ausformung aller Merkmale beteiligt sind (Generalfaktoren), und solche, die überwiegend bestimmte Körperregionen oder Dimensionen beeinflussen (spezielle oder Gruppenfaktoren). Es können dann weiterhin Gewichtszahlen errechnet werden, die angeben, wie stark ein Merkmal von einem bestimmten Faktor abhängt.
Der Vorteil der Faktorenanalyse liegt darin, daß sie mit rein objektiven Methoden an die Analyse des Körperbaus herangeht. Zahl und Art der ausgesonderten Faktoren hängen aber von den Maßen und Indices, die man miteinander korreliert, ab. Aus zahlreichen Einzeluntersuchungen sind jedoch bereits einige Grundlinien zu erkennen. i. Es gibt einen allgemeinen Größenfaktor, der an allen absoluten Maßen beteiligt ist. 2. Ein Längen-und ein Fett- bzw. Umfangsfaktor variieren weitgehend unabhängig voneinander. Der erstere ist in allen Längenmaßen, insbesondere in Rumpf- und Beinlänge zu fassen, der zweite durch direkte Messung der Fettdicken, aber auch in den Umfangsmaßen, insbesondere Brust- und Bauchumfang, weniger scharf in den Breitenmaßen. Die Fettdicken an verschiedenen Körperteilen sind in hohem Grade untereinander korreliert. 3. Ein Kopffaktor zeigt an, daß die Kopfmaße eine unabhängige Variationstendenz haben, aber untereinander stark korreliert sind. 4. Die Breitenentwicklung von Ober- und Unterrumpf (Brustkorb und Becken) zeigt neben einer gemeinsamen Breitenbestimmtheit auch selbständige Variationstendenzen.
Von der Faktorenanalyse aus ist eine Individualdiagnose und damit eine Gruppierung der Individuen möglich, indem aus der Reihe der von einem Faktor beeinflußten Merkmale durch besonders hohe Gewichtszahlen ausgezeichnete Leitmerkmale ausgewählt werden und die Stellung jedes Individuums im Streuungsbereich dieses Merkmals bestimmt wird. Die bisherigen Untersuchungen gehen jedoch einen etwas weniger strengen Weg, indem sie die Leitmerkmale aus einfachen Korrelationsketten ohne Faktorenanalyse bestimmen oder a priori wählen und ihre Unabhängigkeit voneinander erst nachträglich prüfen. Lindegard und Par n e I l schlugen unabhängig voneinander eine Kombination von drei Merkmalen, die den Längen-, den Fett- und einen Muskelfaktor repräsentieren, für die Individualdiagnose vor. Schlegel benutzt den Handumfang für die Einordnung der Individuen in eine asthenisch-athletische Reihe und die Beckenausgangsbreite als Leitmerkmal für eine andromorphgynäkomorphe Variationsreihe. |
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