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Weinende Kinder im Bus oder im Supermarkt gehören zum Alltagsbild dazu. Was ist jedoch, wenn die Kleinen aus lauter Bockigkeit in hysterisches Kreischen ausbrechen? So manche Mutter bekommt da von Passanten einen mitleidigen oder auch verärgerten Blick zugeworfen, während sie häufig verzweifelt versucht, die Kinder zum Schweigen zu bewegen.
RTL hat vor kurzem die "Super Nanny", ein Kindermädchen, in Familien mit besonders schwer erziehbaren Kinder geschickt, und der Fernsehzuschauer konnte Zeuge bei dem Versuch der Kinderbändigung werden. Mit Strenge und Disziplin versuchte die Erziehungsberaterin den keineswegs lieben Kleinen ihre Grenzen zu zeigen, wobei sich häufig erwies, daß die Probleme nicht in erster Linie bei den Kindern, sondern bei den Unterlassungen der Eltern zu suchen waren. "Kinder brauchen klare Strukturen", so die "Super Nanny" Katharina Saalfrank.
Doch während diese Erziehungsberaterin eher dem Fräulein Rottenmeier aus Johanna Spyris "Heidi" ähnelt, versucht es die Schauspielerin Sabine Bohlmann, bekannt aus den beliebten TV-Serien "Unser Charly" und "Marienhof", mit dem "Mary-Poppins-Prinzip". "... wenn ein Löffelchen voll Zucker bittre Medizin versüßt, rutscht sie gleich noch mal so gut", sang schon Julie Andrews als zauberhaftes Kindermädchen in der Disney-Verfilmung "Mary Poppins". Und so setzt Sabine Bohlmann in ihrem Buch Ein Löffelchen voll Zucker ... und was bitter ist wird süß! (vgs Verlag, Hamburg, 144 Seiten, zahlr. farbige Abb., broschiert, 14,90 Euro) durchaus auf Disziplin und Pflichten, die jedoch mit lustigen Einfällen aus allem eine durchaus vergnügliche Angelegenheit machen. Dabei waren ihre beiden Kinder Jakob und Paulina sozusagen die Versuchskaninchen, an denen die Autorin ihre
kreativen Ideen für den Erziehungsalltag erprobte. Da Jakob und Paulina offenbar Spaß an den vor allem durch Liebe geprägten Erziehungsmethoden ihrer Mutter hatten, kam der Schauspielerin der Einfall, dieses Buch über ihr "Mary-Poppins-Prinzip" zu schreiben.
"Ich bin keine Psychologin!", sagt sie. "Ich bin eine Mutter, die einfach versucht, vieles mal ganz anders zu sehen und verschiedenes auszuprobieren. Ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Ich habe nur nie aufgegeben, sowohl die Kinder als auch die Eltern zu beobachten und unser Handeln zu überdenken. Ich will nie aufhören zu lernen, und mich über Dinge zu wundern, auch wenn sie noch so alltäglich sind. Und ich will mir immer ein kleines Stückchen Kindheit bewahren", so die 35jährige Autorin.
Davon, daß Sabine Bohlmann sich ein kleines Stückchen Kindheit bewahrt hat, zeugen auch ihre erfrischenden Ideen. So überlegte sie nicht lange, wie sie ihre Kinder abends vom Fernseher ins Bett befördern könne, ohne daß es zu großen Unmutsbekundungen oder gar Tränen kam. Der "Fliegende Teppich" wurde kurzerhand des Rätsels Lösung. Welches Kind unternimmt nicht lieber eine Fahrt mit dem auf sie wartenden fliegenden Teppich vom Wohnzimmer quer über den Flur ins Kinderzimmer (der Antriebsmotor ist in diesem Fall die Mama, die kräftig zieht und mit undefinierbarem ausländischen Akzent zum "Flug" einlädt), als weiter irgendwelche Erwachsenenfilme im Fernsehen zu verfolgen?
Die U5-Untersuchung beim Kinderarzt löste ein weiteres Problem: die Kinder waren keineswegs schwerhörig. Wenn die Mutter rief: "Frühstück ist fertig!", stand sie häufig alleine da. Wenn sie jedoch fragte: "Wer wagt sich an die frischen Cornflakes?", wuselten beide Kinder schnell in die Küche. Das sprechende Sockenmonster war eine weitere glorreiche Erfindung, es half ihren Kindern schneller in die Klamotten als es ihre Mutter je konnte. Der Mundschlüssel für kleine Plaudertaschen oder die "Böse-Worte-Schublade" sind weitere Hilfsmittel, die das Miteinander von Mutter und Kind erleichtern.
Rituale sind auch im Leben eines Kindes sehr wichtig. Sie geben Sicherheit. Die Rituale im Hause Bohlmann vermitteln schon durch die Lektüre des Buches Geborgenheit. So wird nach den selbst bei ungemütlichem Wetter obligatorischen Spaziergängen ein "Fußbad mit allem drum und dran" geboten. Mutter und Kinder setzen sich dann auf den Badewannenrand, zünden einige Kerzen an, essen Butterbrot und wärmen, während die Mutter vorliest, ihre "Eiszapfenfüße" im warmen Wasser. Und wenn jemand doch krank wird, gibt es die selbstgebastelte Genesungskerze, die die Gesundung des kleinen Patienten bestimmt beschleunigt.
Ganz wichtig ist die sogenannte Gefühlschaoskiste. Schließlich haben auch Kinder ihre Sorgen und Probleme, die sie allerdings nicht durch Launenhaftigkeit oder durch Gewalt gegenüber den Geschwistern oder Eltern ausleben dürfen. In einer kleinen Holzkiste im Hause Bohlmann befinden sich je nach Stimmung besondere Süßigkeiten. So gibt es ein Fach mit "Troststäbchen" (Brausestäbchen), "Mutmachtoffees" (Toffeefee), "Versöhnungsversüßung" (Traubenzuckerherzen) und "Belohnungsbonbons" (Kandiszucker). "Denn auch wenn man nicht jeden Schmerz heilen kann", so die zweifache Mutter, "aber bei den kleinen Sorgen des Alltags hilft die Chaoskiste ungemein."
Selbst die liebsten Kinder sind weit davon entfernt, kleine Engel zu sein. Irgendwann kommt bei jedem einmal der "tobende Giftzwerg" hervor. Doch was ist eigentlich, wenn Mama sich im Supermarkt plötzlich genauso bockig aufführt wie der Nachwuchs. So manches Kind verstummt peinlich berührt schneller als erwartet. Steht ein Kind einmal mit schlechter Laune auf, so lautet die Empfehlung: gleich wieder ins Bett zurück und mal versuchen mit dem anderen Fuß aufzustehen. Das führt häufig zu Verrenkungen und Gelächter. Und schwups ist die Laune schon ein Stückchen besser. Auch für Streitereien der Geschwister untereinander werden einige Ratschläge an die Erziehenden gegeben, doch hier gesteht die Jenny vom "Marienhof", daß es offenbar kein Patentrezept gibt. Beeindruckt hat Jakob und Paulina aber offenbar die Aussage, daß Streitereien nicht zu lange dauern dürfen, denn so entstehen Kriege und wie ein solcher Krieg aussehen kann, das haben die Kinder voller Entsetzen anhand der Bilder vom Irakkrieg in den Nachrichten gesehen und lange mit der Mutter darüber gesprochen.
Auch Manieren und das ungeliebte Aufräumen des Zimmers können spielerisch gelernt werden. Die erfundene Geschichte der "Sternenkönigin" und die "Sternenkiste" hilft bei Wörtern wie "Danke", "Bitte" und "Guten Tag". Für jedes höfliche Wort, das ohne Aufforderung gesagt wird, gibt es einen Stern. Das Kind mit den meisten Sternen erhält zum Ansporn eine Kleinigkeit, und irgendwann ist es hoffentlich an Höflichkeit auch ohne Anreiz gewöhnt.
Bastelideen und Spiele sind ebenfalls in dem Buch zu finden. So das Lügenspiel, das bei langen Autofahrten besonders beliebt sein dürfte. Hier müssen alle wie der Baron Münchhausen lügen, wer aus Versehen einmal die Wahrheit sagt, hat verloren.
Am Ende des herzerwärmenden Erziehungsbuches weist die Autorin jedoch ausdrücklich darauf hin, daß selbst bei ihnen auch einmal der Haussegen schief hängt. Da helfen dann weder "fliegender Teppich" noch "Gefühlschaoskiste". Außerdem betont Sabine Bohlmann ausdrücklich, daß sie nicht immer albern ist und den "Deppen" für ihre Kinder spielt. Manchmal jedoch hilft ihr "Mary-Poppins-Prinzip", eine völlig verfahrene Situation zu lösen und ein Lachen in die Gesichter von Mama, Papa und den Kindern zu zaubern. - Also: "Ein Löffelchen voll Zucker ... und was bitter ist wird süß!" Fritz Hegelmann
Fröhliche Familie: Mit lustigen Einfällen gelingt es der Mutter, den Kindern die Pflichten des Alltags vergnüglich zu vermitteln. Foto: vgs Verlag
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