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Zwei Männer und ein Bahnhof. Für den erfolgsverwöhnten Architekten mit Aufträgen bis nach Südafrika und ins ferne China war der Lehrter Bahnhof in der Hauptstadt ein besonders wichtiges Projekt, für den als ruppig bekannten Hausherrn eben nur ein Bahnhof, keine Kathedrale. Der Streit zwischen Meinhard v. Gerkan und Helmut Mehdorn (Nr. 50 / 06) wurde nur noch getoppt durch einen Stahlträger, den der Orkan "Kyrill" von der Fassade des Berliner Hauptbahnhofs riß, und von Glasplatten im Dach des Giganten, die angeblich Risse zeigten. Sperrungen des Prestigeobjekts waren die Folge, Verspätungen, Zugausfälle, verärgerte Reisende. Eine Geschichte, die sich phantasiebegabte Schriftsteller nicht spannender hätten ausdenken können.
Dem Lehrter Bahnhof begegnet der Leser freilich nicht in dem litarischen Führer durch berühmte Bahnhöfe, den die Schweizerin Lis Künzli zusammengestellt hat, wohl aber dem Anhalter Bahnhof in Schilderungen von Walter Benjamin und Erich Kästner und dem Bahnhof Friedrichstraße, so wie etwa Monika Maron ihn sah. Von Lew Tolstoj, der im November 1910 gar auf einem kleinen Bahnhof starb, über Émile Zola und Marcel Proust bis hin zu Thomas Mann, Stefan Zweig und Georges Simenon reicht die bunte Reihe der Literaten, die in ihrem Werk entweder ihre Hauptpersonen in einem Bahnhof auftreten ließen oder dem Bahnhof selbst eine besondere Rolle zuwiesen. Entstanden ist eine kurzweilige Lektüre, die Lust macht, mehr von den einzelnen Schriftstellern zu lesen, die aber auch Fernweh weckt und die Faszination Eisenbahn der frühen Jahre nachempfinden läßt.
Lis Künzli: "Bahnhöfe - Ein literarischer Führer", Eichborn Verlag, Frankfurt / Main 2007, 190 Seiten, mit etwa 130 sw Fotos, geb. mit Sc |
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