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Waaas? Wirklich noch nie fremdgegangen?" Betke grinste ungläubig. Ich nickte. "Nein, wozu? Meine Karin ist eine wundervolle Frau. Wir verstehen uns blendend. Warum sollte ich mir mein eigenes Grab schaufeln?"
Wir saßen am Tresen vom "Kalten Hund". Kalle, der Wirt polierte Gläser. Es war halb sechs. Betke starrte mich an, als sähe er mich zum ersten Mal. "Dich interessieren keine anderen Frauen? Ei, ei, Alter, ich glaub, bei dir stimmt was nicht."
Ich trank einen Schluck von der Jägermilch, die Betke spendiert hatte. Sein Gelaber ging mir langsam auf die Nerven. Er schien sich für Willy Fritsch zu halten oder wenigstens für dessen Zwillingsbruder. Es tat mir leid, daß ich Betke in die Kneipe gefolgt war. Früher hatte ich ihn bewundert, er war der Platzhirsch auf dem Campus der Albertina, aber das war viele Jahre her.
"Was soll denn nicht stimmen?" Ich stellte das Glas ab. "Rita, meine jetzige Favoritin, ist zwanzig. Du müßtest sie mal sehen. Sie hat eine Figur wie ..."
"Paulette Goddard?" tippte ich. "Genau!" strahlte Betke.
"Schön für dich." Ich sah auf die Uhr. "Schätze, ich muß jetzt los. Hab Karin versprochen, daß ich um halb sieben auf dem Gehöft bin." - "Als du noch n junger Dachs warst, durftest du länger ausbleiben." Betke hielt mich für einen Pantoffelhelden.
Ich seufzte. "Na gut. Suckeln wir noch e Tulpche Bier."
"Freitag abend waren wir zum Tanzvergnügen, die Rita und ich", schwärmte Betke. "Frag nicht nach Sonnenschein! Die Rita ist nicht totzukriegen, ein richtiger Ruscheldups. Bis um zwei sind wir übers Parkett gewirbelt."
"Toll", sagte ich leidenschaftslos. "Nächsten Sonnabend geht s weiter. Ritas Kommilitonen machen einen drauf." Betke grinste wieder. "Falls du Lust hast, schau mal rein!" - "Ich denke, das ist nichts für Karin."
Betke klopfte sich vor Lachen auf die Schenkel. "Karin? Ei, ei, Alter. Allein sollst du kommen. Was meinst du, was in der Albertina für flotte Hüpfer herumschwirren." - "Ich bin nicht scharf auf flotte Hüpfer", sagte ich. "Was ich will, das hab ich schon."
Betke zupfte an seinem ergrauten Bärtchen. "Du hast keine Traute, Alter. Du lebst brav und gehorsam vor dich hin. Tust nur das, was deine Karin von dir verlangt."
"Beruht alles auf Gegenseitigkeit. Außerdem liebe ich Karin." Betke quietschte vor Vergnügen. Auch Kalle, der Wirt, grinste. Ich kam mir vor wie ein Aussätziger.
"Es beflügelt einen kolossal, so n junges Ding", behauptete Betke. "Man fühlt sich sofort wieder wie zu besten Zeiten. Verstehst du das?" Ich hielt seinem Blick stand. "Nein." - "Aber wieso?"
"Jedes Alter hat seine Reize. Man muß nur lernen, richtig damit umzugehen."
Hinter uns erklang fröhliches Gelächter. Wir sahen uns um, und Betkes Gesicht verfiel zusehends. Unter den Neuankömmlingen war eine hübsche Zwanzigjährige. Sie nickte Betke flüchtig zu, dann schmiegte sie sich an die Brust ihres jugendlichen Begleiters. "Ri-Rita", murmelte Betke.
Ich zahlte mein Bier und verabschiedete mich. Als ich draußen auf der Straße stand, sah ich durchs Fenster. Betke brütete stumpfsinnig am Tresen. Ich mußte mich beeilen. Es war gleich halb sieben.
Ostdeutschland damals: Frauenburg im Winter, Blick auf den Hafen und den Dom |
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