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Ostern hat das letzte Wort

 
     
 
Verehrte Leserinnen, verehrte Leser, davon bin ich überzeugt: In unser aller Leben gibt es viele Situationen, Erlebnisse und Erfahrungen, die niederdrükken, traurig machen und an Vergänglichkeit und Tod erinnern. Irgendwie gehören sie zu unserer Existenz und sind aus dem konkreten Leben nicht wegzudenken.

Überzeugt bin ich aber auch davon: Es gibt in unserem Leben viele Osterereignisse, vielleicht mehr Auferstehungserlebnisse als wir vermuten und wahrnehmen.

Das Osterereignis vor 2
.000 Jahren und die vielen Osterfeste danach bleiben nicht ohne Resonanz, auch wenn sie meistens bedeutend leiser sind. Ganz laut und greifbar wird Ostern allerdings in Gerhard Fittkaus Buch "Mein 33. Jahr" (Erinnerungen eines ostdeutschen Pfarrers). In der Gefangenschaft in einem sibirischen Lager schreibt Fittkau:

"Unser masurischer Stubenältester legte eine Bohne auf das Ofenfaß, in dem zur Zeit nur ein schwaches Feuer brannte, und lud mich ein, ein paar Worte zu sprechen, da doch heute Ostern sei. Ich nahm mein Missale und kletterte auf die improvisierte Kanzel, von der aus ich einigermaßen im ganzen Raum sichtbar war.

Der Älteste bat um fünf Minuten Ruhe und fand Gehör. Ich las das Osterevangelium vor: ‚Wer wird den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? (Mk 16, 3) ,Kameraden, die wenigen Tage in unserem Lager haben uns mehr als das äußere Aussehen unserer Baracke davon überzeugt, daß wir hier lebendig wie in einem großen Sarg begraben sind , so sprach ich die Kumpels an, die zum größten Teil an das äußere Fußende ihrer Pritschen gekrochen waren, um besser hören zu können.

‚Wir alle haben die gleiche Frage wie die frommen Frauen der Bibel in unserem Herzen: Wer wird den Stein vom Eingang dieses düsteren Gefängnisses wegwälzen, in dem wir lebend begraben sind?

Machen wir uns nichts vor: Niemand kann dies tun außer Gott. Er hat es zugelassen, daß wir hierher gebracht wurden. Er weiß nicht nur um die großen Dinge, die in einer Welt vorgehen, die sich von Ihm abgewandt hat, sondern Er weiß auch um das kleinste und letzte Geschehen in unser aller Leben. Ihr wundert euch jetzt, wie Er es erlauben konnte, daß wir hier an der Petschora lebendig begraben wurden. Auch ich kann euch keine volle Antwort geben. Wir sind hineingenommen in den weltweiten Plan der Heilsgeschichte Gottes, den Er uns in jeder Einzelheit erst offenbaren wird, wenn im letzten Gericht der Sohn Gottes dem Vater im Himmel alles zu Füßen legen wird.

Wir alle sind Gottes Geschöpfe und fast alle als Christen getauft, aber wie oft haben wir danach Christus im Grab unseres Herzens lebend begraben und es fest versiegelt mit unseren Sünden und Lastern. Dies nun ist unsere Osterbotschaft: In diesem Todeslager sind wir begraben, damit wir das noch viel schrecklichere Grab, das wir in unserem eigenen Innern herumschleppen, aufbrechen. Laßt uns beten um Gnade und Kraft, die roten Siegel aufzubrechen und den Stein von unserem Herzen wegzurollen, damit Christus in uns wieder auferstehen kann.

Nach dieser kurzen Ansprache betete ich mit meinen Kameraden für alle Mitgefangenen, ihre Angehörigen, ihre Frauen und Kinder. Dann stieg ich von meiner ungewöhnlichen Kanzel wieder herunter. In der Baracke blieb es sehr still."

Das ist es! Ostern ist das Fest gegen den im Lager so nahen und greifbaren und den im Herzen eingenisteten Tod. Der Mensch kann und darf sich loslassen und von der Liebe Gottes ergreifen lassen. Auferstehen und Neuwerden ist durch die Auferstehung Jesu für uns Wirklichkeit geworden. Der Tod, wie wir ihn täglich tausendfach in der Welt erfahren, hat auch heute nicht das letzte Wort, ob wir niedergedrückt und traurig sind, ob wir endgültig Liebes verloren haben, ob wir uns von Gott getrennt haben.

Ostern heißt: Der Tod hat nie das letzte Sagen. Er ist nicht die letzte Aussage über unsere Existenz. Wenn ich auf das Leben und Wirken Jesu Christi schaue, wächst vielmehr den Augen österliche Sehkraft zu. Sie erkennen stärker das Leben und die Liebe als den Tod. Gott ist ein Gott des Lebens und will das Leben. Ostern hat das letzte Wort!

Auch Gerhard Fittkau, ein ostdeutscher Pfarrer, der wie viele andere durch das Tal des Todes gegangen ist, nennt in seinem Buch "Mein 33. Jahr" diese Osterhoffnung und Osterfreude: Ich teile "die tröstliche Gewißheit, daß Gott uns ‚richtend, aber auch aufrichtend, züchtigend und doch auch errettend durch alles Leid hindurch geführt hat".

Ihnen allen neue Hoffnung, viele Ostererfahrungen und österliche Freude. Ein frohes Osterfest!
 
     
     
 
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