|
Dieser Fachausdruck kennzeichnet einen gruppentypischen Veränderungsprozeß am Kopf, die Verrundung des Schädels. Der Gesamtvorgang schließt sich in seiner Problematik an gleiche Fragenkomplexe an, wie sie eben bei der Körperhöhe besprochen wurden. Der Schädel des Homo sapiens ist zunächst ausgesprochen langförmig, die größte Breite beträgt in der Regel nur 75 v. H. oder weniger der größten Länge, was dann im Längenbreitenindex berechnet wird (dolichokran = langschädlig, unter 75,00; mesokran = mittellangschädlig, 75,1-79,9; brachykran = kurzschädlig, über 8o,00). Wir haben aus dem ganzen Jungpaläolithikum und dem Hauptteil des Mesolithikums nur L a n g s c h ii d e l vorliegen, wobei die Cromagniden mehr an der Obergrenze von lang und im mittellangen Indexbereich liegen, während die etwas kleinwüchsigere Schmalform Werte bis weit unter 75 aufweist. Bei bestimmten Gruppen zeichnet sich sogar ein Trend zu besonders ausgeprägter Schmalschädligkeit ab. Erste Anzeichen von Verrundung werden ganz vereinzelt bei relativ späten mittelsteinzeitlichen Funden faßbar und zeigen sich zugleich in weiter Streuung ohne feststellbaren genetischen Zusammenhang. Diese beginnende Veränderung der durch viele Jahrzehntausende für den Homo sapiens kennzeichnenden Langform des Schädels ist also eine entwicklungsgeschichtlich recht junge Erwerbung unserer Art, bei der auch nur in Grenzen von einer gesicherten oder sehr wahrscheinlichen genetischen Fixierung gesprochen werden kann. In der Literatur haben dazu früher die kurzschädligen Funde von G r e-n e i l e und F u r f o o z eine große Rolle gespielt, da man ihnen zunächst ein relativ hohes Alter zusprach. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß diese beiden Funde nur neolithisch sind. Etwas älter sind die Kurzköpfe aus der 0 f n e t -h ö h l e, deren mittlerer Kopfindex aber zunächst auch wesentlich höher eingeschätzt wurde. Eine Neuzusammensetzung der Schädel, die kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges in München von M o l l i s o n veranlaßt wurde, kam nicht mehr zur Veröffentlichung. Die neuen Ergebnisse wie das Originalmaterial sind Bomben zum Opfer gefallen. Man kann aber sagen, daß die Kurzköpfigkeit eines kleinen Teils dieser Schädel nur mäßig ausgeprägt war, also an den Anfang der Indexgruppe Brachykrane gehört. Weitere Kurzköpfe mäßigen Grades finden sich unter späten Mesolithikern Nordafrikas (Afalou-bouRhummel), deren zeitliche Einordnung im Gesamtvergleich nicht ganz einfach ist, da Afrika in dieser Zeit kulturell etwas retardiert sein kann. Die bis jetzt ältesten Belege für beginnende Kurzköpfigkeit stammen aus dem Tell es Sultan von Jericho und gehören dort zur Turmgruppe, die vielleicht an den Ausgang des B. Jahrtausends gehört. Dabei ist auffällig, daß diese Schädelform dort bis jetzt nur isoliert innerhalb des Turms nachgewiesen ist genauere Angaben für die Werte sind erst nach Rekonstruktion der Funde möglich , während der überwiegende Hauptteil der gleichzeitigen und späteren Schädel ganz eindeutig langförmig ist. Zu diesen ersten Andeutungen von Schädelverrundung ist dabei noch zu bemerken, daß weitere kennzeichnende Merkmale fehlen, die uns in die Lage versetzten, die Verrundung bereits an diesen wenigen Belegstücken als Rassenmerkmal zu verwenden. Einige Zeit später beginnen sich dann in der Jungsteinzeit zwei deutlichere Häufungsgebiete höherer Schädelindices abzuzeichnen, allerdings auch dann noch sporadisch in weiter räumlicher Streuung und mit nur mäßigen Graden von Kurzköpfigkeit. Auf einen genetischen Zusammenhang zwischen diesen Funden kann noch nicht geschlossen werden, zumal die Langköpfe noch eindeutig überwiegen und verbindende Zwischenglieder fehlen.
Aus Europa sind dazu neben einer gewissen Häufung von breiteren Schädeln in Dänemark, die sich aber noch gut von einer cromagniformen Ausgangsbasis herleiten lassen, die Glockenbecherleute am Ausgang der Jungsteinzeit zu nennen, unter denen sich erstmalig zwei deutlicher abgrenzbare Kurzkopftypen nachweisen lassen. Der eine, mit gerundetem Hinterhaupt (kurvoccipital), größerer Schädelbreite und einem breiteren und niedrigeren Gesicht, ist dabei gut von dem zweiten zu unterscheiden, der einen hohen Schädel mit steil abfallendem Hinterhaupt (planoccipital) verbindet mit einem etwas gröberen, aber hohen Gesicht. Dieser Typ ist so auffällig, daß er die Glockenbecherbevölkerung charakterisiert, wenn er auch nur einen Teil der rassisch gemischten Population ausmacht und daneben höhere Anteile von Langköpfen vertreten sind. Dieser auffällige Typ verschwindet nachher wieder für lange Zeit aus dem europäischen Rassenspektrum, während die Kurvoccipitalen ständig in schwachen Prozentsätzen hier und da auftreten, aber auch erst erheblich später in der Eisenzeit in bemerkenswerteren Anteilen unter einzelnen Gräberserien nachgewiesen werden können. Neben sporadischen Funden von Kurvoccipitalen aus Nordafrika stellen diese nur im vorderasiatischen Raum stellenweise beachtenswertere Anteile, sind aber auch dort immer nur relativ spät zu erfassen. Der z. Z. älteste Beleg stammt aus Cypern, wo die neolithische Dorfsiedlung von Khirokitia (nach 3500 v. Chr.) hohe Anteile von Kurzköpfen enthält. Bedauerlicherweise ist hier keine rassenmorphologische Aussage möglich, da diese Gruppe zugleich durch z. T. extreme künstliche Schädeldeformation gekennzeichnet ist, so daß man nur der Vermutung Raum geben kann, die zugrunde liegende Schädelform könne kurvoccipital-kurzköpfig gewesen sein. Diese Annahme ist trotzdem besonders auffällig, weil zur gleichen Zeit vom umliegenden Festland bislang nur Langköpfe belegt sind. Einzelne Rundformen, etwa aus Byblos, sind ohne Bedenken als Endvarianten der beherrschenden Langkopfform einzustufen. Aus dem mittleren und östlichen Kleinasien können wir dagegen aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. eine Reihe von Serien anführen, die kurvoccipitale Rundköpfe in größeren Anteilen zeigen. Die heute für diesen Bereich so kennzeichnende steilhinterhäuptige planoccipitale Rasse, die als vorderasiatische allgemein bekannt ist, läßt sich aber in ersten Anteilen wie Ansätzen nur acis dem letzten Jahrtausend v. Chr. nachweisen, wozu man auch die Funde aus dem westiranischen Platz Sialk (Schicht IV) zählen kann. Es war oben schon bei der Besprechung der Hethiter (-± Urkundenmaterial) darauf verwiesen worden, daß diese eben nicht, wie ursprünglich angenommen, durch planoccipitale Schädel gekennzeichnet sind, sondern neben hohen Anteilen von Langköpfen nur kurvoccipitale Rundköpfe besitzen, für welches neuere Urteil die bisher freigelegten Schädelserien ausreichen dürften.
Man kann nun im Schrifttum häufig lesen, daß die europäischen Planoccipitalen von vorderasiatischen Formen abzuleiten wären und ihr Auftreten in Europa auf Einwanderung von Splittergruppen aus diesem Raum verweise. Dazu muß nachdrücklich festgestellt werden, daß ein derartiger Zusammenhang nach. dem bisherigen Fundmaterial und seiner Datierung in keiner Weise gestützt werden kann, und wir das Auftreten von Kurzkopfformen in Europa wie Vorderasien vorerst begründeter als selbständige Erscheinung zu betrachten haben, was auch für die Kurvoccipitalen gilt. Wenn daher die erst in jüngeren Epochen faßbaren steilhinterhäuptigen Dinarier Europas mit den entsprechenden Formbildungen Vorderasiens unter dem Oberbegriff Tauride (nach dem Taurusgebirge) zusammengefaßt werden, so steht diese Konzeption genetisch noch auf recht schwachen Füßen, ganz abgesehen von dem viel zu frühen Zeitpunkt, den verschiedene Autoren für ihre Entstehung annehmen möchten. Gleichsinnig erscheint es bedenklich, die europäischen kurvoccipital en Alpinen mit den entsprechenden Formbildungen des Nahostraumes enger zusammenzubringen, was zumindest für den Fachlaien aus der Rassenbezeichnung Eastern Alpines hervorgehen könnte. Auch für diese beiden unter sich ähnlichen Merkmalskombinationen wird man bis auf weiteres eine getrennte Entwicklung wie Entstehung als wahrscheinlicher voraussetzen müssen.
Aus den übrigen Erdteilen liegen noch keine ausreichenden Fundserien vor, um den Vorgang der Brachykephalisation auch dort zeitlich wie nach Entstehungsräumen deutlicher fassen zu können. Wir finden hohe Kopfindices aber jetzt gehäuft bei Mongoliden, Polynesiern und den jüngeren Indianiden, also einmal ausgesprochen progressiven Formen, andererseits aber auch in hohen Anteilen bei den Rassenzwergen, die wohl spezialisiert sind, aber nicht im eben angedeuteten Sinne progressiv . Insgesamt kann man ohne Zweifel feststellen, daß die Schädelverrundung eine ausgesprochen junge Erscheinung ist, die bei noch heute lebenden Vertretern der Altschicht viel weniger gefunden wird. Obwohl sich der Kurzkopf heute gehäuft mit einer ganzen Reihe von weiteren Merkmalen gemeinsam findet, die es möglich erscheinen lassen, ihn jetzt als Rassenmerkmal zu verwenden, ist doch eine sorgfältige Prüfung geboten.
In Europa ist nämlich an Fundreihen vom Mittelalter bis zur Neuzeit eine auffällige Zunahme der Schädelindices festzustellen, ohne daß auch eine gleichsinnige Änderung anderer Merkmale im Sinne sicherer Rassenverschiebung vorläge. Daß allein schon eine zunehmende Hirnschädelbreite Umkonstruktionen im Gesichtsschädel nach sich ziehen kann, steht außer Zweifel. Die Verrundungstendenz setzt nun in Europa an eindeutig langköpfigen Ausgangspopulationen an, ohne daß historisch entsprechende Bevölkerungsveränderungen belegt werden könnten. Besonders beachtenswert dazu sind Untersuchungen an Bein-hausmaterial aus abgeschlossenen Alpentälern Österreichs, die gesichert während dieser Zeit keinen Zuzug erhalten haben. Auch hier nimmt der Schädelindex seit dem hohen Mittelalter laufend zu. Untersuchungen der Schüler Eugen Fischers und besonders eine Arbeit von Hauschild legen für diesen Fragenkomplex als Deutung nahe, daß wir bei dieser Verrundung in ihren Ursachen noch nicht voll faßbare phänische Überprägungen vorliegen haben, die sich wie bei der Körperhöhe innerhalb der genetisch festgelegten Grenzen auswirken können. Diese Beobachtung einer bemerkenswerten Plastizität des Längenbreitenverhältnisses am Schädel legt nahe, bei der Verwendung von Kurzköpfigkeit als Rassenmerkmal Zurückhaltung zu üben. L u n d m a n hat dazu nachgewiesen, daß das Längenhöhenverhältnis am Schädel wesentlich stabiler ist und auch bei starker Verrundung, also Breitenzunahme, sich an die Werte der langköpfigeren Ausgangspopulationen anschließt. Ergänzend sei noch mitgeteilt, daß neuere Untersuchungen an Großserien aus dem jeweils gleichen Raum und Populationen gegenüber Ergebnissen von einigen Jahrzehnten vorher einen Stillstand bzw. sogar statistisch zu sichernden Rückgang der Verrundung aufzeigen.
Damit sei dieses sehr komplexe Problem abgeschlossen. Zusammenfassend ist zu sagen, daß Kurzköpfigkeit ganz allgemein eine sehr junge Erwerbung des Homo sapiens ist. Sie tritt in ihren Anfängen erst gegen Ende des Mesolithikums sporadisch mit großen Zwischenräumen auf und beginnt mit sehr geringen Graden, die nicht als Mischungsergebnis gewertet werden können. Gegen Ende der Jungsteinzeit lassen sich erstmals Merkmalskombinationen fassen, die in Verbindung mit Kurzköpfigkeit als typenabgrenzend angesehen werden können. Sie lassen sich aber nicht auf ein Ausgangszentrum zurückführen, sondern zeigen eindeutig verschiedene unabhängige Entwicklungsgebiete, was bei großräumig zusammenfassender rassensystematischer Deutung solcher Befunde nicht übersehen werden darf. Für das Mittelalter bis zur Neuzeit liegen aus Europa sichere Befunde vor, daß die starke Verrundung in diesem Bereich weit wahrscheinlicher als phänische Überprägung zu erklären ist, wenn auch die Ursachen bzw. auslösenden Faktoren noch nicht greifbar sind. Auf jeden Fall ist Kurzköpfigkeit ein Merkmal, das man nur in Teilen als eindeutig genetisch fixiert und damit rassenkennzeichnend ansehen und verwerten darf. |
|