|
Urplötzlich fühlt man sich in ferne Kindertage versetzt. Damals las man die Abenteuer von Robinson Crusoe, erlebte (im Buch) die Kaperfahrten des ruchlosen Klaus Störtebeker mit, baute sich Höhlen im Wald. Nun aber ist man seit langen Jahren erwachsen und begegnet ihr wieder, dieser Welt voll bunter Kinderträume, keineswegs in einem abenteuerlichen Film, in einem Buch, sondern im - Museum. Wie aus einer versunkenen Zauberwelt auferstanden liegt sie da, die Plastik, die Otfried Schwarz im Innenhof des Altonaer Museums in Hamburg installiert hat. Ist es ein Schiff, ist es eine Höhle? Ein Piratennest? Auf jeden Fall besteht die phantasievolle Arbeit aus Strandgut. Kein Wunder also, wenn der Künstler dieses neue Werk "Auf Amrum gestrandet" nennt. Vom Standpunkt des Besuchers, der sich der Installation über den erhöhten Eingang zum Innenhof und über eine Treppe nähert, ist zunächst einmal allerlei Krimskrams, Kruscht oder, wie der Ostpreuße sagt, Gekrassel auszumachen. Bunt ist es, und so manches weht und schaukelt in der leichten Brise dieses Tages. Beim behutsamen und staunenden Näherkommen entdeckt man Kinderspielzeug vom Strand, ein kaputtes Schaukelpferd, Schuhe, Schutzhelme, Autofelgen und -reifen, Gummihandschuhe und -stiefel, Taue, Netze, Muschelschalen, Federn, ja einen skelettierten Vogelkopf, Strandhafer. Die Holzplanken sind verwittert, auf manchen wachsen Muscheln. Und wenn man ganz nah herangeht, dann meint man, auch einen Hauch von Salz zu riechen.
Durch eine Tür gelangt man ins Innere des gestrandeten Objekts, das übrigens auf echtem Sand aus Amrum ruht. Nun wird es zu einer Höhle. Grob gezimmerte Tische und Bänke laden ein zum Verweilen. Also doch letzte Zuflucht für einen modernen Robinson? Oder doch eher ein Platz zum Verharren, um über die Relikte unserer Wohlstands- und Wegwerfgesellschaft nachzudenken?
Schon als Kind hat der am 9. Januar 1942 in Tilsit als Sohn des Musikwissenschaftlers Werner Schwarz (vielen Lesern des es sicher noch bekannt durch seine fundierten Beiträge zur ostdeutschen und pommerschen Musikgeschichte) und der Malerin Dora Schwarz, geborene Migge, geborene Otfried alles gesammelt, was die See an Land spülte. Regelmäßig verbringt er die Sommer auf Amrum. Aus dem Strandgut hat er im Laufe der Jahre immer weiter an dieser Plastik gebaut; Wind und Wetter zerstörten, veränderten vieles. Und auch in Hamburg soll der "Zahn der Zeit" das Seine tun.
Schwarz ist aber nicht nur Objektkünstler, er ist auch ein Maler voller Ideen. Neben Akten und abstrakten Motiven malt er auch gern die ihn umgebende Natur, die Landschaft an der See, Wind, Wolken, Wellen und Segelschiffe. In Kiel, wo er sich schon als Schüler mit Zeichnungen und kleinen Plastiken hervorgetan hat, besuchte er die Muthesius-Werkkunstschule bei Prof. Brock-mann. Dann ging er 1963 nach Berlin, wo er bei Jaenisch, Bergmann und Bachmann an der Kunsthochschule studierte. Emil Nolde und sein farbgewaltiges Werk haben es ihm angetan, und einiges davon spürt man auch in den Bildern des Otfried Schwarz. In Berlin, wo Schwarz im Winter lebt und arbeitet, hat er auch schon einmal in Noldes ehemaligem Atelier gearbeitet. Seine Plastik aus Strandgut aber zeigt die andere Seite des phantasievollen Künstlers aus Tilsit.
Künstler mit vielen ausgefallenen Ideen: Otfried Schwarz vor einer großformatigen Leinwand im Freien
Otfried Schwarz: Auf Amrum gestrandet.
Installation im Innenhof des Altonaer Museums in Hamburg |
|