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Er war wohl einer der "schlimmsten Neonazis" in Deutschland, doch jetzt ist er laut eigener Aussage "Rechts Raus", wie auch der Titel seines Buches lautet. Torsten Lemmer, der als Fraktionsführer der Partei "Freie Wählergemeinschaft" ins Düsseldorfer Rathaus einzog und der Stadt damit den Ruf, eine Brutstätte für rechtsradikales Gedankengut zu sein, einbrachte, ist wahrhaftig alles andere als harmlos.
Der heute 32jährige begann seine "Karriere" erst bei der Schülerzeitung, fungierte dann als Sprecher der Landesjugendpresse in Nordrhein-Westfalen, und sogar bei der FDP versuchte er es. Er behauptet zwar stets, er habe endlich "stolz auf Deutschland" sein dürfen wollen, doch im Grunde wollte er nur auffallen und Schlagzeilen machen. Die rechte Szene bot ihm da eine Möglichkeit, sein Umfeld zu schockieren, und das tat er zu jeder sich bietenden Gelegenheit. Tagsüber saß er im Düsseldorfer Rathaus, nachts zog er mit Skins besoffen und randalierend durch die Straßen. Lange wurde er toleriert. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete schüttelten dem jungen Mann die Hand, in der Hoffnung er könne der Politik Nachwuchs zuführen, doch irgendwann durchschaute jeder sein Doppelspiel, und er wurde aus dem Rathaus gejagt. Der von ihm gegründete Rechts-Rock-Musikverlag bot ihm schnell ein besseres Auskommen. Allerdings haßte es das Idol der Rechten immer mehr, mit den Glatzen zu fraternisieren. Zu Konzerten fuhr er stets im eigenen Wagen, damit sein Designer anzug nicht beschädigt wurde, denn bei seinen "Kunden" ging es heftig zu. Er übernachtete nur in Luxushotels und natürlich nicht allein. Trotz einer Beziehung hielt Lemmer nicht viel von Treue.
Nun soll dieser Mann also "Rechts Raus" sein? Und die Bekehrung kam angeblich durch eine "Hamlet"-Inszenierung von Christoph Schlingensief? Seine Aufzeichnungen jedenfalls lesen sich wie die Erinnerungen eines Schelms, der keinerlei Rücksicht auf irgendwas nimmt. Wirklich politische oder ideologische Hintergründe und Motive kommen fast gar nicht vor. Gegen Ende schreibt er etwas von gelebter Toleranz, da seine Ehefrau eine Marokkanerin ist, doch selbst seine Eltern haben Probleme ihrem Sohn den Wandel vom Saulus zum Paulus abzunehmen.
Torsten Lemmer ist wahrhaftig nicht dumm, wie man es gerne von Rechtsradikalen behauptet. Seine selbstgerechte Erzählweise fasziniert. Schuldgefühle? Was jedoch noch mehr fasziniert ist die Tatsache, wie lange die Politiker jeglicher Couleur diesen Chaoten hingenommen und sogar umworben haben. Sogar die Grünen haben es bei ihm versucht. Unglaublich! Fritz Hegelmann
Torsten Lemmer: "Rechts Raus - Mein Ausstieg aus der Szene", Das Neue Berlin, Berlin 2004, broschiert, Abb., 190 Seiten, 12,90 Euro
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