Unsensibel

Sensibel und Sensibilität sind beliebte Worthülsen der Bundestagspräsidentin. Gleichwohl gibt es kaum jemanden in der bundesdeutschen Politikelite, der im politischen Alltagsgeschäft weniger Sensibilität zeigt als Frau Süßmuth. Das wird nicht nur durch ihre "Bonner Affären" belegt.

Bei ihrem Besuch am 21./22. Juli in Warschau ließ sie zum wiederholten Male jedwede Sensibilität gegenüber den Heimatvertriebenen und den Vertreibungsopfern vermissen. Ihr selbstgestecktes Ziel für die Reise nach Warschau war, die absolut grundlose Verstimmung des offiziellen Polen über die Bundestagsresolution vom 29. Mai dieses Jahres zu beseitigen.

Da die Bundestagsresolution weder zweideutig war, noch gegen Geist und Buchstaben des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages verstieß, hätte die Reise unterbleiben können.

In Warschau besänftigte Frau Süßmuth ihre Gastgeber mit dem obskuren Vorschlag, nach dem EU-Beitritt Polens

könne man möglicherweise Niederlassungsfreiheit und Immobilienerwerb für Deutsche in Polen eine Zeit lang aussetzen. Damit fällt sie nicht nur der EU in den Rücken und dokumentiert ihr defizitäres Rechtsbewußtsein, sondern leistet sich auch erneut einen Affront gegen die Heimatvertriebenen.

Es wäre beim Warschauer Besuch angezeigt gewesen, das Recht auf die Heimat der vertriebenen Ostdeutschen anzusprechen. Um das in der notwendigen Klarheit zu formulieren, hätte Frau Süßmuth ihre CDU-Fraktionskollegin Erika Steinbach – die zugleich BdV-Präsidentin ist – nach Warschau mitnehmen müssen. Statt dessen wird Frau Steinbach von ihr mit Mißachtung bedacht. In Warschau hat die Bundestagspräsidentin erneut unter Beweis gestellt, daß sie nicht die Fähigkeit besitzt, die Vertreiberstaaten mit Nachdruck auf die ausgestreckte Versöhnungshand der Vertriebenen aufmerksam zu machen und für deren berechtigte Anliegen zu werben.