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Wer sich mit britischen Entdeckern und Forschern des 19. Jahrhunderts befaßt, ist möglicherweise schon mal über Namen wie Burton, Speke, Grant, Stanley, Livingstone und Baker gestoßen. All jene gingen mit ihren Leistungen bei der Erschließung Afrikas in die Geschichte ein. Interessant ist allerdings, daß sich keineswegs hinter all jenen Entdeckernamen nur Männer verstecken. Denn neben Sam Baker war auch seine Frau Florence Baker auf der gefährlichen Suche nach den Quellen des Nils.
In "Mit dem Herzen einer Löwin - Lady Florence Baker und ihre Suche nach den Quellen des Nils" hat die US-Amerikanerin Pat Shipman, Professorin für Anthropologie, anhand der Veröffentlichung en von Sam Baker und der von seinen Nachfahren aufbewahrten Briefe der Eheleute das Leben der couragierten Abenteurerin recherchiert.
Lady Florence Baker wurde 1845 als Barbara Maria Szasz in einem kleinen Dorf in Ungarn geboren. Sie wuchs deutschsprachig auf. Ihr Vater war beim Militär, stellte sich aber beim ungarischen Aufstand 1848 bis 1850 gegen Österreich und floh nach dessen Niederschlagung mit zehntausenden der Rebellen ins Osmanische Reich. Die fünfjährige Barbara Maria folgte mit ihrem Kindermädchen - die Mutter und Geschwister waren bei Brandschatzungen im Dorf ums Leben gekommen - den Aufständischen. Doch in dem riesigen Rebellenlager ging die Kleine verloren. Eine Frau fand das weinende Mädchen und brachte es zur Familie Finjanjian. Finjanjian Hanim verdiente sein Geld mit dem Sklavenhandel und nahm das blonde Kind gern in seinen Harem auf, wo sie eine sittliche Erziehung nach den dortigen Maßstäben genoß.
Am Tage ihrer Auktion befand sich der Brite Sam Baker auf der Durchreise in Viddin, wo er die von einem Gesandten des Sultans erstandene Vierzehnjährige kur-zerhand entführte. Was für den Witwer Mitte 30 erst ein Spaß war, wurde schnell zu einer nach damaligen Maßstäben skandalösen Beziehung. Da der vermögende Abenteurer seine absolut nicht standesgemäße Geliebte nicht gleich nach England bringen konnte, begleitete sie ihn auf seinen Reisen quer durch Osteuropa und Afrika.
Pat Shipman schildert ein-drucksvoll die damaligen Lebensumstände und Gefahren in Afrika. Kriegerische Stämme, gefährliche Tiere, Krankheiten, Hunger und Durst sowie die Willkür der jeweiligen Gebietsfürsten rafften viele Europäer schnell dahin.
Doch das ungewöhnliche Paar überstand die größten Strapazen angeblich allein durch seinen Drang, Dinge zu entdecken, die vor ihm kein Europäer je gesehen hatte. Wobei hier anzumerken ist, daß der Leser den Eindruck erhält, daß die Autorin ein wenig zu begeistert von Florence Baker und ihrem Schicksal ist, um immer ganz objektiv zu urteilen.
So folgte Florence ihrem Geliebten, der sie allerdings auch sofort nach seiner Heimreise heiratete, wohl nicht nur aus reinem Abenteurertum, sondern wohl auch aus reiner Abhängigkeit heraus. Auch Sam Baker reiste nicht allein aus idealistischen Gründen unter Lebensgefahr quer durch die Welt. Er war durchaus daran interessiert, es der "Royal Geographical Society" zu beweisen, daß er besser war, als die von ihr unterstützen Entdecker.
Seine vielen Vorträge und Veröffentlichungen nach seiner Rück-kehr nach England zeugen davon, wie wichtig ihm auch der Ruhm war.
Aber auch wenn die Autorin ein wenig zu positiv von dem Forscherpaar eingenommen ist, und ihr Florence Probleme mit der
englischen Gesellschaft offenbar sehr nahe gegangen sind, so ist deren Geschichte doch gut aufgearbeitet und interessant präsentiert. So interessant, daß der Leser oft genug aus dem Staunen nicht herauskommt. Zitate der Protagonisten und zahlreiche Zeichnungen sorgen für Authentizität und Atmosphäre. Fritz Hegelmann
Pat Shipman: "Mit dem Herzen einer Löwin - Lady Florence Baker und ihre Suche nach den Quellen des Nils", Malik, München 2005, zahlreiche Abb., geb., 388 Seiten, 22,90 Euro |
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