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Vor Durst halb wahnsinnig und zu Tode erschöpft, sah Kapitän Riley fremdartige, unheimliche Gesellen, versammelt bei einem Lagerfeuer. Sollte man diese Mordbuben der Wüste um Hilfe bitten? Mußte Riley nicht damit rechnen, daß sie ihn und seine Leidensgenossen einfach töten oder versklaven?
Noch 200 Jahre später treibt dieses Drama dem Leser Schweiß in die Poren. Keine phantastische Abenteuergeschichte wird feilgeboten; jedes Detail entspricht den Tatsachen.
Im September 1815 strandete das amerikanische Handelsschiff "Commerce" an der Küste des nordwestlichen Afrika. Nach der Heimkehr veröffentlichte Kapitän James Riley einen Bericht, in dem er das denkwürdige Geschehen erzählt. Dean King hat darüber ein historisches Sachbuch ausgearbeitet, das nun in deutscher Sprache vorliegt. Die Lektüre dieses Buches lohnt nicht nur wegen der enormen Spannung.
Die Brigg "Commerce" verließ im Mai 1815 mit zwölf Mann an Bord Connecticut. Wegen des britisch-amerikanischen Kriegs von 1812/14 war diese Region verarmt. Der relativ kleine Zweimaster sollte zu den Kapverdischen Inseln fahren, dort Salz laden und es in die USA bringen.
Sechs Wochen dauerte die Atlantikfahrt nach Gibraltar. Ende August fuhr die "Commerce" weiter in Richtung Kapverden. Nun beging Riley einen folgenschweren Navigationsfehler. Statt Madeira anzusteuern und die Kanarischen Inseln westlich zu passieren, wollte er die enge Meeresstraße zwischen La Palma und Teneriffa durchsegeln. Er gedachte, den Weg abzukürzen, um Zeit zu sparen. Damit wählte er eine riskante Route, denn die Seeleute konnten ihre Position oft nur schwer oder gar nicht bestimmen. Dazu kam, daß der Golfstrom jedes Schiff auf die afrikanische Küste drückte und häufiger Nebel die Sicht stark behinderte. Riley gab später der "Gier" seiner Landsleute, die solche gefährlichen Unternehmungen verlangt hätten, die Schuld an dem Unglück, welches jetzt folgte.
Wie viele andere Schiffe vor ihr strandete die "Commerce" am Kap Bojador, direkt an der Westküste der Sahara. Zwar erreichten die Seeleute das Land, doch fielen sie hier gnadenlosen Wüstennomaden in die Hände, die sie ausraubten und einen Matrosen fortschleppten. Die Übrigen flüchteten auf einem Beiboot der "Commerce" und landeten, nur mühsam dem Tod entronnen, weiter südlich. Nun peinigte sie furchtbarer Durst, und sie erblickten keine andere Wahl, als sich einer Gruppe von Arabern auszuliefern.
Riley und seine Gefolgsleute wurden in schimpflichster Art und Weise versklavt, mehrfach verkauft und mußten niedrige Arbeit verrichten. Drei Monate später gelang es einem britischen Konsul, Riley und die Hälfte seiner Mannschaft freizukaufen. Fünf andere blieben für immer verschollen.
In die USA zurückgekehrt, verfaßte Riley einen Bericht über die Erfahrung der Sklaverei. Diese Schrift erregte die Leidenschaften ähnlich wie "Onkel Toms Hütte". Auch Abraham Lincoln las als Jugendlicher Rileys Buch, der sich fortan gegen die Sklaverei in den USA engagierte.
Die Überlebenden der "Commerce" verkrafteten ihre seelischen Traumata nie. Rolf Helfert
Dean King: "Weiße Sklaven - Die wahre Geschichte von einem Schiffbruch in der Sahara", marebuch, Hamburg 2005, 440 Seiten, 24,90 Euro |
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