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"Die Bürger", so meinte Bundespräsident Rau kürzlich, "müssen den Nutzen der europäischen Einigung erkennen können." Recht hat der Präsident, insbesondere wenn er dabei an die Belange des eigenen Volkes denkt, in dem immer nachhaltiger der Vorbehalt keimt, daß es den übrigen Völkern des Kontinents insbesondere um die wörtlich zu nehmende Einbindung Deutschlands gehe. Rau sprach sich bei dieser Gelegenheit für eine europäische Verfassung aus, die die rechtliche Grundlage für eine föderales Europa sein soll. Gut so. Doch es bleiben erhebliche Zweifel zurück, was die rechtliche Gleichstellung angeht. Beginnt es mit dem Geld oder mit der Sprache? Auf jeden Fall sollte um der Glaubwürdigkeit willen die Tatsache Berücksichtigung finden, daß wir der mit Abstand größte Nettozahler der Gemeinschaft sind. Soll heißen, künftig müßten dann die finanzschwächeren Länder ihren zu zahlenden Geldanteil erhöhen, eventuell auch auf sozialen Komfort bis auf weiteres verzichten, damit die Einseitigkeit aufgehoben werden kann. Ähnlich dürfte es mit der Spra- che sein, einem Hundertmillionen-Volk müßte endlich die Gleichbedeutung der Sprache eingeräumt werden, wenn die Gleichwertigkeit eine Rolle spielen und das böse Wort von einem "Versailles ohne Krieg" seinen Wert verlieren soll. Nur Wahrhaftigkeit kann ein Europa der Nationen schaffen, die ihren Wert in sich, in ihrer Sprache und Kultur, in ihrer historisch eigenständigen Entwicklung und in ihrer Selbstbestimmung wie in dem Bewußtsein, einer Gemeinschaft von Ebenbürtigen anzugehören, finden.
P. F.
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