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Wem Ehre gebührt

 
     
 
Die CDU-Führung ist offenbar an Helmut Kohl verzweifelt. Nicht allein, daß die Hoffnung endgültig geschwunden ist, der Ex-Kanzler könnte sich doch noch erbarmen und die Namen der ominösen Spender publik machen. Auch die Auftritte des einstigen Übervaters in Hamburg und vor allem Bremen müssen Schäuble und Merkel schwer in die Glieder gefahren sein. In der Weserstadt wurde der Pfälzer von der Unionsbasis frenetisch gefeiert.

Die Strategie
von Angela Merkel war, zwischen Kohl und der CDU öffentlich einen Trennungsstrich zu ziehen: Dort der belastete Altkanzler, hier die um Aufklärung und Läuterung bemühte "neue" Union. Da haben ihr die Bremer einen Strich durch die Rechnung gemacht. Für sie – und wie Umfragen ergeben haben, für einen Großteil der Parteianhängerschaft insgesamt – sind Kohl und die CDU immer noch eins.

Dies hat den Parteivorstand bewogen, von Kohl abzulassen und nur noch nach den "Tätern hinter dem Täter" zu suchen. Die Beteuerungen, sich jetzt gründlich bessern zu wollen, macht das nicht eben glaubwürdiger. Solches hatte man Anfang der 80er Jahre nach der Flick-Affäre auch gehört. Jetzt mußten wir erfahren, daß – die wohlfeilen Sprüche noch auf den Lippen – damals just jenes Schwarzgeldsystem aufgebaut wurde, das nun auffliegt.

Emotional ist die Reaktion der Bremer CDU-Basis indes sogar verständlich: Kohl war es, der sie in der schweren Zeit nach dem Abgang Barzels durch die Klippen geleitete, der sie 1982 zurück an die Macht brachte, den sie als "Kanzler der Einheit" im Gedächtnis haben. All die Jahre sollen sie einem Verfassungsbrecher, einem Schwarzgeldschieber hinterhergelaufen sein? Der Gedanke ist so schwer verdaulich, daß viele ihn lieber zugunsten einer schönen Fassade verdrängen. Objektiv jedoch ist das Geschehen von Bremen kaum nachzuvollziehen.

Kohl beharrt darauf, sein Ehrenwort gegeben zu haben, das er nicht brechen wolle – Gesetz hin, Verfassung her. Daß er dafür den Beifall staatstreuer Bürger erhält, macht nicht nur nachdenklich, es schockiert. Kohl hat einen Eid abgelegt auf die Verfassung, er hat mithin dem ganzen deutschen Volk sein Ehrenwort gegeben, also auch jenen in Bremen versammelten CDU-Anhängern, den Vertretern der Hamburger Handelskammer (die ihn ebenfalls feierten) und allen anderen Deutschen. Und er hat es gebrochen, ohne um seine Ehre zu fürchten, die er nun so energisch zu verteidigen vorgibt. Schlimmer noch: Er zieht, wenn man seinen Worten noch trauen will und die Existenz dieser nebulösen Spender für bare Münze nimmt, sein "Ehrenwort" gegenüber einem kleinen Kreis anonymer Geldgeber seinem wiederholten Ehrenwort an das ganze deutsche Volk vor. Das ist einfach unerträglich. Ganz abgesehen davon, daß Kohl das große Wort der Ehre durch eine Affäre schleift, die diesem nur schweren Schaden zufügen kann. "Ehrenwort" droht zu einer ironischen Wendung zu verkommen, die im Grunde nichts anderes sagt, als ... wir wollen es uns lieber nicht ausmalen.

Derweil nimmt die Affäre selbst täglich bizarrere Formen an. Der Finanzreferent der CDU/CSU-Fraktion, Hüllen, ist tot. "Selbstmord aus persönlichen Gründen" hieß die spontane Analyse, dann kamen zwei Abschiedsbriefe ans Licht, die auch in eine andere Richtung deuten sollten. Schließlich bestritt der Anwalt der Hinterbliebenen gar, daß es sich überhaupt um Selbstmord handelt, und verlangte eine Obduktion. Beobachter mochten sich nur noch gruseln.

Um ihren Nimbus der Unentbehrlichkeit besorgt, orakeln nicht nur CDU-Politiker nun gern von den "Gefahren für die Demokratie", die außer ihnen und einigen überdrehten Medienleuten jedoch niemand zu sehen vermag. Parteien, auch große, sind durchaus ersetzbar, ohne daß die Demokratie mit ihnen sterben muß – das zeigt Italien. Und erste Auflösungserscheinungen der CDU sind schon sichtbar, wenn auch (noch?) in wenig substanzgefährdender Größenordnung.

Eigentlich wäre dies die Stunde des Bundespräsidenten. Er müßte – wie seinerzeit in Italien – als Staatsoberhaupt den guten Ruf der Republik über die Krise retten. Jedoch, unser Staatsoberhaupt steckt selbst in der Klemme seiner Flugaffären und schweigt daher ganz stille. Statt als moralischer Ordnungsfaktor aufzutreten, ist Johannes Rau nur der lebendige Beleg dafür, daß es weit mehr auszumisten gilt als das "System Kohl".

 
     
     
 
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