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Seit dem 1. Dezember 1998 ist die "Europäische Charta der Regional- und Minderheitssprachen" in Kraft. Sie soll "die Sprachen von Minderheiten in ihren angestammten Regionen schützen, fördern, tolerieren und die Anwendung erleichtern" und macht somit Niederdeutsch, Friesisch, Dänisch und Sorbisch zur Amtssprache der jeweiligen Region. Wie aber ist es mit der Sprache aus den Vertreibungsgebieten? Wie ist es mit Ostpreußisch oder Schlesisch? Mit den Menschen ist auch die Sprache vertrieben worden, und nur noch wenige alte Menschen sprechen dieses Idiom. Sie haben es als unsichtbare s Fluchtgepäck mitgenommen, ein Stück Heimat, das ihnen niemand nehmen konnte - nur die Zeit. Mittlerweile gibt es Mundartwörterbücher, die diesen Schatz bewahren wollen. Wissenschaftlern und vielen Helfern gelang es, etwa mit dem "Preußischen Wörterbuch", diese Sprache zu dokumentieren, nicht zuletzt auch, um den Verlust aufzuzeigen, der mit dem Verklingen des ostdeutschen Platt einhergeht.
Der Schriftsteller Arno Surminski hat es sich nun angelegen sein lassen, der Sprache seiner Kindheit ein literarisches Denkmal zu setzen. Mit den Geschichten in "Gruschelke und Engelmannke", die er gleichzeitig auf Ostpreußisch und Hochdeutsch erzählt, läßt er eine Zeit wieder aufleben, die längst untergegangen ist. Eine Zeit, die geprägt war von harter Arbeit, aber auch von fröhlichem Feiern, von Freud und Leid. Wer die Geschichten auf Hochdeutsch liest, dem wird so vieles entgehen, was die Mundart in sich trägt - den tiefgründigen Humor, die Herzlichkeit. Leider aber geht in der schriftlichen Form auch der Tonfall verloren, mit dem das Platt gesprochen wurde, diese weichen Laute, dieses zärtlich ausgesprochene weiche "sch", dieses breite "ei", dieses sanft rollende, grollende "r" ... Der Verlag wäre gut beraten gewesen, dem Buch eine CD beizufügen, auf der man die Geschichten hören kann.
Dennoch ist mit "Gruschelke und Engelmannke" ein zauberhaftes Erinnerungsbuch entstanden, mit Geschichten um das Leben in Ostdeutschland, mit Anekdoten und Redensarten.
"Viele schrieben mir voller Bedauern", so Surminski im Vorwort zu diesem Buch, "die ostdeutsche Sprache werde bald aussterben. Sie schickten mir Namen und Redewendungen, die sie noch in Erinnerung hatten, mit der stillschweigenden Aufforderung, etwas zur Erhaltung des Ostdeutschen zu tun. Ich habe diese Wünsche anfangs nicht ganz ernst genommen, heute sind mir die Erinnerungen jener, die in der Sprache noch gelebt haben, ein wertvoller Schatz. Es wäre ein Jammer, wenn die ostdeutsche Mundart völlig verlorenginge."
Daß dies nicht geschieht, ist engagierten Männern wie Arno Surminski zu verdanken.
Arno Surminski: "Gruschelke und Engelmannke - Geschichten auf Ostpreußisch und Hochdeutsch", Ullstein Verlag, Berlin 2006, 244 Seiten, sw Abb., geb. mit Schutzumschlag, 16,95 Euro 5990 |
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