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Westerwelles Sekte

 
     
 
Auch die FDP will Volkspartei werden. Nichts benötigt Deutschland derzeit weniger. Zwei haben wir schon, und Union und SPD sind sich in ihrem Ringen, allen zu gefallen, derart zum Verwechseln ähnlich geworden, daß man im Volk über eine bloß unterschiedlich bemalte Einheitspartei unkt. Die wachsende Zahl der Nichtwähler spricht für sich.

Gerade in kontroversen Fragen stehen sich Volksparteien allzuoft selbst im Wege. Um keine der breitgefächerten Zielgruppen zu verärgern, werden sämtliche Konzepte mit "möglichst grobkörnigem Konsenspapier bearbeitet" ("FAZ"). Wichtige Themen bleiben liegen, weil sie nicht massenwirksam sind. Elite- oder Begabtenförderung etwa interessiert die Mehrheit mangels persönlicher Betroffenheit
herzlich wenig – ja weckt sogar Sozialneid.

Hier war das Feld einer FDP, die nicht darüber zu wachen braucht, wie ihre Positionen in Gewerkschaftskreisen ankommen. Soll aus der "Volkspartei" Ernst werden, dürfte sich dies bald ändern.

Dem Anschein nach sind die Liberalen schon in der trostlosen Gestaltlosigkeit ihrer neuen Vorbilder angekommen. Wurde auf FDP-Parteitagen der Vergangeheit oft heftig gestritten, wurden Meinungsverschiedenheiten coram publico ausgetragen, erstarrte das Delegiertenvolk diesmal einmütig vor hohler Zahlenmystik ("18 Prozent").

Wer die Zeichen der neuen Zeit nicht erkannte, bezog Prügel. So die hessische Landeschefin Ruth Wagner, die sich den unverschämten Hinweis auf die "Wirklichkeit" herausnahm und ausgebuht wurde. Die FDP sei doch keine Sekte, entfuhr es der Hessin daraufhin entnervt.

Nach über 30 Jahren ließ die Partei die Pünktchen aus ihrem Logo entfernen. 1970 markierte ihre Einführung den Abschluß einer dramatischen Wende nach links. Ihre Wiederabschaffung könnte abermals eine tiefe Zäsur symbolisieren – doch gewiß nicht die von manchem erhoffte Rückkehr zu den nationalliberalen Wurzeln. Elisa Wachtner

 
     
     
 
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