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Möglicherweise wäre Herzog Heinrich IV. von Bayern niemals König und Kaiser geworden, wenn nicht sein Vorgänger an der Spitze des Heiligen Römischen Reiches, der kinderlose Otto III. am 23. oder 24 Januar des Jahres 1002 völlig unerwartet gerade in Italien gestorben wäre.
Eine klare Nachfolgeregelung gab es nicht und damit war jeder Herzog des Reiches potentieller Kandidat. So strebten neben dem bayerischen Herzog Heinrich IV. auch Hermann II. von Schwaben, Dietrich I. von Oberlothringen, Bernhard I. von Sachsen, Ekkehard von Meißen und zeitweilig auch Otto von Worms die Krone an.
Heinrichs Konkurrenz hatte das Pech, daß der Leichenzug mit dem toten Otto III. nolens volens auch Bayern durchquerte. Hier versuchte Heinrich, der bereits von dem Tod des Kaisers erfahren hatte, den Zug abzufangen. Als der Leichenzug Polling bei Weilheim erreichte, wurde er dort vom Bayernherzog bereits erwartet. Um seinen Anspruch auf die Krone zu untermauern, zwang er das Gefolge des toten Herrschers, dessen Nachfolger er werden wollte, zur Herausgabe der mitgeführten Reichsinsignien.
Die wichtigste unter diesen war die Heilige Lanze mit dem - so die Überlieferung - eingelassenen Nagel vom Kreuz Christi. Wer sie besaß, verfügte nach damaliger Auffassung über das Zeichen, das die Legitimation für die Stellvertreterschaft Christi in der Königsherrschaft darstellt. Doch gerade wegen dieser großen Bedeutung wurde anfänglich versucht, sie dem Zugriff des Bayernherrschers zu entziehen. Heimlich hatte der Kölner Erzbischof Heribert das Kleinod vorausschicken lassen, doch die Vorsichtsmaßnahme half nichts, denn der Bayernfürst wußte sich zu helfen. Er machte mit Bischof Heinrich I. von Würzburg einen Bruder des Erzbischofs zu seiner Geisel und erzwang mit dieser Geiselnahme die Herausgabe der Lanze.
Des weiteren setzte der Geiselnehmer durch, daß die Eingeweide des toten Kaisers sein Herrschaftsgebiet nicht verließen. In der zur Augsburger Afrakirche gehörenden Kapelle des Heiligen Ulrich von Augsburg ließ er sie bestatten. Erst danach gab er den Leichnam frei und ließ die Leiche samt Gefolge gewähren. Er begleitete sie bis an die Grenze seines Herzogtums und soll dabei eigenhändig die Leiche mitgetragen haben. Dieses galt nicht erst zu Zeiten der roten Zaren im Kreml als typisches Privileg der Thronfolger.
Heinrich setzte bei der Durchsetzung seiner Herrschaft auf eine Legitimierung durch Symbole. Um so wertvoller war ihm das Bündnis mit Erzbischof Willigis von Mainz, der ihm die Aussicht auf eine ebenso stilvolle wie symbolträchtige Krönung bieten konnte. Auch Willigis konnte Unterstützung brauchen. Er hatte miterleben müssen, wie der letzte Kaiser und der Papst darangegangen waren, die Macht in der Reichskirche auf Kosten der deutschen Kirchenfürsten mit ihm an der Spitze unter sich aufzuteilen. Für ihn mußte es Balsam sein, wenn Heinrich versprach, "die Kirchen Gottes und die Priester Christi zu erhöhen" und - so die Vita Bischof Burchard von Worms - den beiden Geistlichen versicherte, "alles zu tun, was sie wollten, wenn sie seinen Willen unterstützten".
Eine Krönung des Bayernfürsten in Mainz lag im beiderseitigen Interesse. Willigis konnte damit den Anspruch seiner Kirche auf die sogenannte Präeminenz, die Vorrangstellung, untermauern und Heinrich den seinigen auf die Königswürde; und so kam es dazu. In seinem erzbischöflichen Dom übertrug Willigis am 7. Juni 1002 in einem festlichen Krönungsakt einschließlich Salbung Heinrich "das Reich und die königliche Gewalt". Damit war weder Heinrichs Herrschaft durchgesetzt noch er selber Kaiser, aber eine Vorentscheidung war gefalle |
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