|
Niemand kennt das genaue Geburtsdatum Jesu. Aus den Evangelien und den historischen Umständen kann bestenfalls sein Geburtsjahr ungefähr im Zeitraum zwischen den Jahren 7 und 4 vor der später etwas falsch berechneten Zeitenwende errechnet werden. Erst recht wissen wir nichts über Jesu Geburtsmonat und -tag. Aber es ergibt einen tiefen Sinn, das Geburtsfest Jesu, unseres menschlichen Bruders und göttlichen Erlösers, gerade in der für uns, auf der Nordhälfte der Erde, dunkelsten Zeit des Jahres zu feiern. Während man in der Ostkirche seit dem 3. Jahrhundert die Erscheinung (Epiphanie), also die Menschwerdung Christi am 6. Januar feiert, bürgerte sich in der westlichen römischen Kirche seit dem 4. Jahrhundert der 25. Dezember als das Geburtsfest Jesu ein. Wahrscheinlich an Stelle und wohl auch zur Verdrängung eines römischen Festes der unbesiegbaren Sonne, die ja von diesem Datum an wieder zu steigen beginnt.
Die Kirche wollte damit deutlich machen: Unsere wahre Sonne ist Christus, das Licht der Welt, das Klarheit und Wärme in die Finsternis und Kälte der Menschheit bringt. Wie es Martin Luther in einem Weihnachtslied von 1524 sagt: "Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein neuen Schein: es leucht wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht. Kyrieleis." (EG 23,5).
Wir Christen glauben: In der lieblosen Kälte, ängstigenden Dunkelheit und schmerzhaften Ungerechtigkeit der Welt ließ Gott uns nicht allein. In Jesus Christus schickte er uns einen erhellenden und wärmenden Lichtstrahl seiner göttlichen, ewigen Welt, machte uns das ursprünglich gewollte, wahre Menschsein sichtbar und lud uns zur Nachfolge ein. Darum nahm Jesus menschliches Leiden und Schuld auf sich und überwand es durch seine Liebe bis in den unverdienten Tod am Kreuz.
Durch seine hilfreichen Taten an Schwachen, Armen und mit Schuld Beladenen sowie mit seinen tröstenden, wegweisenden und ermutigenden Worten entzündete Jesus in seinem Wirkungskreis ein helles, wärmendes Licht der Liebe. Und dieses entflammte nach seiner Auferwekkung von den Toten immer mehr Menschen in seinem Geiste, bis es auch uns erreichte, erleuchtete und unser Leben seitdem ständig neu ordnet, klärt, stärkt und zum gottgewollten Guten hin bewegt. Eigene und fremde Schuld und Versäumnisse, Krankheiten und Todverfallenheit bedrohen uns aber weiterhin und machen uns immer wieder ängstlich und traurig. Dagegen helfen uns weder die "keep-smiling-Gesichter" von Strahlemännern und -frauen in den Medien noch der Erwerb und Verbrauch blendend schöner materieller Dinge, auch wenn uns das die Werbung gerade in der Vorweihnachtszeit aufdringlich vorgaukeln will.
Die Lichtstrahlen des Trostes und der Hoffnung auf ein Leben in Frieden, Freude und Gerechtigkeit auf unserer Erde und einst bei Gott und darauf, was unser Leben erhellt und dauerhaft erhält, die finden wir bei Jesus. Die Beschäftigung mit seinem Evangelium im Lesen, Hören, Bedenken und Aufnehmen seiner Worte und Taten, alleine oder in christlicher Gemeinschaft, schenkt uns innere Kräfte, Wegweisung und Hoffnung auch in dunklen Zeiten und auf unseren Wegen durch finstere Täler unseres Lebens.
Die Christusfeste Weihnachten, Karfreitag und Ostern, wie auch jeder Sonntag, der Tag der Auferwekkung Jesu von den Toten, laden uns ein, uns immer wieder neu von Jesu Licht erleuchten und erwärmen zu lassen.
Als "des Lichtes Kinder" (Luther) werden wir dann selbst etwas Licht und liebevolle Wärme um uns her ausstrahlen können. So daß wir den Menschen in unserer Familie, Nachbarschaft und im Freundeskreis mit einfühlendem Verständnis begegnen, und, wo es nötig ist, sie mit Worten und Taten zu trösten, beraten, ermutigen und erfreuen versuchen, wie es in unserer Kraft liegt. Daß wir aber auch für die "fernen Nächsten" etwas übrig haben, was sie oft so dringend brauchen.
Wie gut wäre es und wie sehr würde es dem Sinn des Weihnachtsfestes und dem Anlaß es zu feiern entsprechen, wenn nicht nur die Kerzen an unseren Christbäumen Licht, Wärme und Freundlichkeit ausstrahlen würden, sondern wir Christen selbst, alle, in je persönlicher Weise. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Foto: Staunende Andacht: Auch eine Papierkrippe kann das wundervolle Geschehen vermitteln. (Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg) |
|