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Wir hatten in einem schneereichen, frostigen Winter unsere Freuden gehabt. Eissegeln auf dem Haff mit selbstgebauten Eissegelschlitten, Schlittschuhlaufen auf dem eisbedeckten Dorfteich in Rossitten, genannt Lung, auch Fahrten mit dem Pferdeschlitten durch verschneite Wälder und über schneebedeckter Flur. Doch alles hat seine Zeit, wie schon die Bibel verkündet. Wir harrten nun sehnsüchtig auf neue Freuden, die wir vom Frühling erwarteten. Erfolgreich bekämpfte er seit Tagen den Winter. Die uns monatelang vertrauten Eiszapfen an Dächern hauchten tröpfchenweise ihr Leben aus, mehr oder weniger stark getroffen vom Frühlingshauch. Auch war es nicht mehr möglich, trockenen Fußes auf die Eisdecke des Haffs zu gelangen. Der täglich breiter werdende Haffrand füllte sich mit Wasser, die Eisdecke, stellenweise schon in Schollen zerborsten, entfernte sich mehr und mehr vom Strand.

Der Sonnenschein schaffte hier und da auf Wiesen und Wegen schneefreie Flächen, von Bäumen und Sträuchern tropfte es unentwegt. An besonders geschützten sonnigen Stellen zeigten sich - zaghaft zwar - aber unübersehbar die ersten Frühlingsboten. Ja, der Winter verzog sich, der Lenz trieb ihn nordwärts. Die Natur reckte und streckte sich der Sonne entgegen. Auferstehung
aller Orten und Ostern, Inbegriff des Frühlings, bestimmte die kommenden Tage, erkennbar an den sich häufenden Eierspeisen. Die Eier wurden für die Gerichte nicht wie üblich in die Pfanne geschlagen, nein, sorgsam wurden sie ausgepustet. Eine vergnügliche Tätigkeit für die Kinder, noch vergnüglicher das Bemalen der leeren Eier mit bunten Farben und vielfältigen Mustern.

Die Kinder des Bauern W., Gudrun, Heinz und Klein-Karl, steck-ten mitten drin in dieser amüsanten Tätigkeit. Besonders Gudrun verstand es, mit Hingabe und künstlerischer Fertigkeit ihre Eier als kleine Kunstwerke darzustellen, beneidet von ihren Brüdern. Klein-Karl in seinem stürmischen Eifer es ihr gleichzutun, zerbrach in seiner Tollpatschigkeit ein Ei nach dem anderen. "Hör lieber auf, Karlchen", setzte Gudrun seinem zerstörerischen Tun ein Ende, "sonst fehlen uns am End noch Eier. Darfst später den Osterstrauß schmücken." Freudig stimmte er zu: "Au ja, das mach ich", und befreit aufatmend legte er Pinsel und Tuschkasten beiseite, wobei er seinen Bruder fragte: "Ob der Haske schon alle Eier gelegt hat?"

Heinz, ganz in seine Arbeit vertieft, bestätigte die Frage: "Natürlich! Wir haben doch morgen schon Ostersonntag. Da werden sie doch wohl schon fertig sein mit der Eierlegerei", und grinste seinen Bruder an. Gudrun ließ sich vernehmen, wobei sie ihr vollendetes Ei kritisch musterte: "Wenn wir hier alle Eier bemalt haben, müssen wir noch einige Zweige besorgen. Wißt schon, wegen schmackostern. Besorg schon mal ein Messer, Karlchen."

Der Morgen des Ostersonntags dämmerte und Karlchen, der in Erwartung der kommenden Dinge unruhig geschlafen hatte, sprang aus dem Bett und eilte spornstreichs in die Küche. Gudrun und Heinz standen schon mit Zweigen und leeren Körbchen bereit, legten ihre Zeigefinger auf die Lippen, so Karl auffordernd, sich ruhig zu verhalten. Gudrun drückte ihm ein kleines Henkelkörbchen und einen Zweig in die Hand. Gemeinsam schlichen sie zum elterlichen Schlafzimmer, rissen ruckartig die Tür auf und trompeteten ihren Spruch heraus: "Oster, schmackoster, fünf Eier ...." Weitere Worte blieben ihnen im Halse stecken.

Sie sahen nur, wie Mutter blitzschnell die Decke über sich zog, wie unter dem hügeligen Zudeck es ruckelte und plötzlich jede Bewegung erstarrte. "Mutti, Mutti", schrie Klein-Karlchen aufgeregt, "häst ä Haske unter m Zudeck? Hat er schon Eierche gelegt?"

Heinz kicherte, aber Gudrun beherrschte die Lage, drängte sie zur Tür hinaus, die sie leise schloß. Empört schrie Karlchen: "Was hast du? Wir woll n doch schmackostern."

Gudrun nahm ihn an die Hand und tröstete: "Später, später. Jetzt gehen wir erstmal Omchen schmackostern. Da wird s wohl keine Überraschung geb n und stör n nich !"

Gesagt, getan. Sie stürmten in Omas Schlafkammer, schlugen mit den Ruten auf die Bettdecke und hielten ihre Körbe Oma unter Hersagen ihres Spruches entgegen: "Oster, schmackoster, fünf Eier, Stück Speck, wenn wir s nich kriegen, geh n wir nich weg!"

Natürlich, Oma hatte sie bereits erwartet, spielte die Verzagte und leistete ihren Tribut. Die Großen erhielten ein Schokoladenei gereicht, und Karlchen bekam einen Osterhasen mit abnehmbarem Kopf, der Rumpf gefüllt mit bunten Zucker-eiern. Sie dankten, gaben Oma einen Osterkuß und wünschten gegenseitig Frohe Ostern! Wobei Karlchen glückstrahlend feststellte: "Hier war ja schon der Haske! Bei Mutter und Vater versteckt er gerade die Eier!" Unter Prusten und Kichern schoben Gudrun und Heinz Karlchen aus der Kammer. Omchen ließen sie verdutzt zurück.

 

Auf ein Ei gekritzelt
von Eduard Mörike

Ostern ist zwar schon vorbei,

also dies kein Osterei,

doch wer sagt, es ei kein Segen,

wenn im Mai die Hasen legen?

Aus der Pfanne, aus dem Schmalz

schmeckt ein Eilein jedenfalls,

und kurzum, mich täts gaudieren,

dir dies Ei zu präsentieren.

Und zugleich tät es mich kitzeln,

dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.

Die Sophisten und die Pfaffen

stritten sich mit viel Geschrei.

Was hat Gott zuerst geschaffen,

wohl die Henne? wohl das Ei?

Wäre das so schwer zu lösen?

Erstlich war ein Ei erdacht.

Doch weil noch kein Huhn gewesen,

Schatz, so hat s der Has gebracht.
 
     
     
 
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