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Meine Herren! Der Kampf gegen die ,Scharnhorst ist für uns siegreich beendet worden. Ich hoffe, wenn Sie einmal in die Lage kommen sollten, ein großes Schiff in einem Kampf gegen vielfache Übermacht zu führen, daß Sie dann Ihr Schiff ebenso tapfer führen, daß Sie in einer solchen verzweifelten Lage gleiche Manöver fahren wie die deutsche Schiffsführung und sich mit Ihrer Besatzung so tapfer schlagen, wie Sie es heute in unserem Kampf mit der ,Scharnhorst erlebten." Als der Oberkommandierende der britischen Home Fleet, Admiral Sir Bruce Fraser, auf seinem Flaggschiff , der "Duke of York", diese Worte zu seinen Offizieren sprach, lag das am 3. Oktober 1936 bei der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven vom Stapel gelaufene deutsche Kriegsschiff bereits auf dem Grund des Barentssees.
Das Unglück begann, als der am 20. Dezember 1943 vom schottischen Loch Ewe Richtung Murmansk ausgelaufene alliierte Konvoi JW 55 B von den Deutschen entdeckt wurde. Aufgrund der großen Bedeutung, welche die angelsächsische materielle Unterstützung für die Kampfkraft der Roten Armee hatte, und vor dem Hintergrund der Führerweisung 51, in der die Wichtigkeit des Sieges im Osten betont und dazu aufgefordert wurde, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, entschloß sich die deutsche Seite zum Angriff mit der im nord- norwegischen Altafjord liegenden Kampfgruppe Nordmeer. Da die "Tirpitz" von britischen Klein-U-Booten vorerst außer Gefecht gesetzt war, standen dem damals amtierenden Kampfgruppenkommandeur, dem Führer der Zerstörer, Konteradmiral Erich Bey, hierfür nur die "Scharnhorst" und die 4. Zerstörerflottille mit den fünf Schiffen Z 29, Z 30, Z 33, Z 34 und Z 35 zur Verfügung.
Am Abend des Ersten Weih-
nachtstages lichteten die mal als Schlachtschiff und mal als Schlachtkreuzer bezeichnete "Scharnhorst" und ihre Begleitzerstörer die Anker. Der Kampfgruppenbefehlshaber selber stand dem Unternehmen kritisch gegenüber. Warum er das tat, wird deutlich, wenn man sich seine Tagebucheintragung vom 22. des Vormonats vor Augen führt, in der es heißt: "Im Winter würden Zerstörer am besten alleine eingesetzt, vorausgesetzt, daß eine genügende Zahl vorhanden sei. Fünf Zerstörer reichten nicht, und die fehlenden könnten nicht durch die ,Scharnhorst ersetzt werden, zumal das Schiff in der Polarnacht selber Schutzobjekt ist." Beys Hoffnungsträger waren also die deut- schen Zerstörer, und deren Kampfwert mit ihrer beschränkten Hochseetauglichkeit und dem Torpedo als Hauptwaffe, sah er nun durch die zunehmend wilder werdende See gefährdet. In dieser geradezu verzweifelten Situation setzte sich der Konteradmiral über das Funkverbot hinweg und funkte gute zweieinviertel Stunden nach dem Auslaufen wiederholte Male: "... Im Operationsgebiet voraussichtlich Süd-West 6-9, Waffenverwendung Zerstörer stark beeinträchtigt. Fahrtbeschränkung. Unterschrift Kampfgruppe."
Dieser letzte Versuch, ein Abblasen des Unternehmens zu erreichen, blieb erfolglos. Gegen Mitternacht erreichte Bey der Befehl: "1. Feind will durch wichtigen Geleitzug mit Nahrung und Waffen für Russen heldenmütigen Kampf unseres Ostheeres weiter erschweren. Wir müssen helfen. 2. Geleitzug mit ,Scharnhorst und Zerstörern angreifen. 3. Taktische Lage geschickt und wagemutig ausnützen, Gefecht nicht mit halbem Erfolg beenden. Angepackte Lagen durchschlagen. Größte Chancen liegen in überlegener Artillerie ,Scharnhorst . Deshalb ihren Einsatz anstreben. Entsprechend Zerstörer einsetzen. 4. Abbrechen nach eigenem Ermessen. Grundsätzlich abbrechen bei Auftreten schwerer Streitkräfte. 5. Besatzungen in diesem Sinne einstellen. Ich glaube an Euren Angriffsgeist. Heil und Sieg. Dönitz, Großadmiral"
Wenn Beys Funkspruch auch erfolglos war, so war er doch nicht folgenlos. Die Briten hatten den Funkspruch mitgehört, und Admiral Fra- ser ahnte nun zumindest, daß die "Scharnhorst" ausgelaufen war. Die Jagd konnte beginnen.
Nachdem der deutsche Kampfverband die offene See erreicht hatte, fuhr er in nördliche Richtung. Um 7.30 Uhr des Zweiten Weihnachtstages glaubte Bey einen Punkt nordöstlich des Konvois erreicht zu haben. Er gab deshalb seinen Zer-
störern den Befehl zu einem Aufklärungsstreifen in südwestlicher Richtung. Fraser hatte jedoch dem Geleitzug rechtzeitig einen Nordostkurs befohlen, so daß die deutschen und alliierten Schiffe in der Dunkelheit in einem Abstand von rund 15 Seemeilen aneinander vorbeifuhren.
Neben dem Konvoi JW 55 B, den die Deutschen suchten, gab es einen Vorgänger, von dem die Deutschen nichts wußten. Dieser hatte sein russisches Ziel bereits erreicht und war jetzt leer unter der Bezeichnung RA 55 A auf dem Heimweg gen Westen. Dessen Fernsicherung übernahm die Force I. Diese Kampfgruppe bestand aus dem Schweren Kreuzer "Norfolk" sowie den Leichten Kreuzern "Belfast" und "Sheffield". Um 8.40 Uhr stellte das Flaggschiff, die "Belfast", in 33 Kilometern Entfernung Radarkontakt zur "Scharnhorst" her. Die Gruppe steuerte auf die "Scharnhorst" zu, und nachdem sie ihr Ziel in Sicht- und Schußweite hatte, gelang ihr gegen 9.20 Uhr ein Überraschungsangriff.
Die Deutschen hatten kein Funkmeßgerät angestellt, aus Sorge, sich durch dessen Strahlen zu verraten. In der Dunkelheit und dem Schneetreiben wurden sie kalt erwischt und suchten mit ihrem schnellen Schiff die Rettung in der Flucht. Bevor sich die "Scharnhorst" dem Feuer der Gegners entziehen konnte, gelang es jedoch der "Norfolk", mit einer Granate das Funkmeßgerät im Vormars des deutschen Schiffes zu zerstören. Die technische Ausstattung der Deutschen war auf diesem Gebiete ohnehin der britischen unterlegen, doch von nun war die "Scharnhorst" fast blind.
Die "Scharnhorst" gab jedoch nicht auf, sondern versuchte weiter, an den Konvoi JW 55 B heranzukommen, während die Force I den Versuch unternahm, den Geleitzug gegenüber dem deutschen Gegner abzuschirmen. Hieraus ergab sich, daß die Gegner gegen 12.30 Uhr erneut aufeinanderstießen. Diesmal, es war inzwischen etwas heller, war die "Scharnhorst" nicht überrascht. Ihre artilleristische Überlegenheit wurde jedoch dadurch zumindest kompensiert, daß die Briten ihre Radargeräte nicht nur für die Ortung des Feindes nutzten, sondern auch nach deren Entfernungsangaben schossen.
Schwerwiegender war jedoch eine Fehleinschätzung Beys. Aufgrund der stark differierenden Höhe der durch die Einschläge hervorgerufenen Wasserfontänen der 20,3-Zentimeter-Granaten des Schweren Kreuzers "Norfolk" mit einer Geschoß-
masse von 119 Kilogramm und der zahlreichen 15,2- und Zwölf-Zentimeter-Geschosse mit einer Masse von nur 45 beziehungsweise 28 Kilogramm, kam der Deutsche zu dem Schluß, daß die Geschosse von einem Schlachtschiff und weiteren kleineren Einheiten wie Kreuzern stammten. Für den Fall eines "Auftretens schwerer Streitkräfte", das besagt ja auch der oben zitierte Befehl Dönitz , war in der deutschen Handelskriegführung grundsätzlich "Abbruch", sprich Rückzug befohlen. Folglich setzte sich das deutsche Kriegsschiff Richtung Norwegen ab.
Die schnelle "Scharnhorst" entkam zwar dem Feuer der Force I, aber nicht deren Radar, und so konnte sich die mit Force I in Kontakt stehende Force II zwischen der "Scharnhorst" und deren norwegischem Ziel positionieren, um diese abzufangen. Die Force II, die aus dem Westen kam, um erst beim JW 55 B und dann beim RA 55 A Fernsicherungsaufgaben zu übernehmen, hatte, was Bey von der Force I fälschlicherweise vermutete - sie hatte mit der "Duke of York" ein Schlachtschiff.
Außer aus dem Flaggschiff "Duke of York" bestand die Force II aus dem Kreuzer "Jamaica" sowie den Zerstörern "Savage", "Scorpion", "Saumarez" und "Stord". Ab 16.17 Uhr hatte die "Duke of York" die "Scharnhorst" auf ihrem Radarschirm und damit erfaßt. Als sich die "Scharnhorst" dem Schuß- und Sichtfeld der "Duke of York" näherte, erhielt die "Belfast" den Befehl, Leuchtgranaten zu schießen, um der "Duke of York" die Zielerkennung zu erleichtern. Das britische Schlachtschiff selber drehte nach Steuerbord, um mit voller Breitseite schießen zu können. Nachdem die "Duke of York" zuvor auch ihrerseits Leuchtgranaten geschossen hatte, eröffnete sie um 16.50 Uhr bei einer Entfernung von rund elf Kilometern von ihrem Ziel das Feuer mit ihren schweren 35,6-Zentimeter-Geschützen. Zwei Minuten später setzte das Feuer der "Jamaica" ein.
Die "Scharnhorst" wurde von diesem Angriff völlig überrascht und ihr 28-Zentimeter-Geschützturm A durch Feindeinwirkung außer Gefecht gesetzt. Wieder suchte das Schiff seine Rettung in der Flucht. Es lief nun Richtung Norden und damit auf die Force I zu, die nun ihrerseits das Feuer aufnahm. Nun wandte sich die "Scharnhorst" Richtung Osten. Von der Größe ihrer Kaliber und der Quantität der Schiffe her war die "Scharnhorst", welche die Fühlung mit ihren Zerstörern längst verloren hatte, der geballten Kraft von Force I und Force II hoffnungslos unterlegen.
Ihre einzige Chance bestand darin, sich unter Zuhilfenahme ihrer Schnelligkeit den Briten zu entziehen. Das wußte auch der Gegner. Die britischen Zerstörer erhielten deshalb um 17.13 Uhr den Befehl, die "Scharnhorst" mit Torpedos zu stoppen, was aber zumindest so lange mißlang, bis der "Duke of York" mit Hilfe ihres Radars aus rund 16,5 Kilometern einige wichtige Treffer gelangen. Es wurde nicht nur die Lüftungseinrichtung des 28-Zentime-
ter-Geschützturms B getroffen, so daß der Turm wegen der giftigen Gase geräumt werden mußte, sondern auch einer der Kessel durch eine explodierende Granate derart in Mitleidenschaft gezogen, daß die Geschwindigkeit des Schiffes kurzfristig von 20 Knoten auf zehn sank.
Dieses reichte den gegnerischen Zerstörern, sie in die Zange zu nehmen. Während die mittlere Artillerie der "Scharnhorst" ganz damit beschäftigt war, die an Backbord herankommenden Zerstörer "Savage" und "Saumarez" mit Dauerfeuer auf Distanz zu halten, gelang es "Scorpion" und "Stord", sich unbemerkt von Steuerbord bis auf drei Kilometer zu nähern. Deren je acht Torpedos konnte die "Scharnhorst" zwar mit einer Ausnahme ausweichen, doch bot sie dabei den beiden anderen Zerstörern ein nicht zu verfehlendes Ziel. Von den 28 Torpedos der vier Zerstörer trafen vier ihr Ziel. Diese Treffer reichten, um die Geschwindigkeit derart zu vermindern, daß die größeren britischen Einheiten aufschließen konnten.
Auf der "Scharnhorst" war man sich der damit eingetretenen Situation bewußt. Um 18.25 Uhr setzte das Schiff seinen letzten Funkspruch ab: "Wir kämpfen bis zur letzten Granate!" Eine halbe Stunde später funkte zwar die vorgesetzte Dienststelle: "U-Boote und Zerstörer sind mit Höchstfahrt auf Gefechtsfeld befohlen", aber jede Hilfe kam zu spät.
Gegen 19 Uhr eröffneten die inzwischen auf neuneinhalb Kilometer herangekommenen "Duke of York" und "Jamaica" wieder das Feuer. Von den deutschen schweren Geschützen feuerten nur noch die des hinteren Turmes C. Um 19.16 stellte auch dieser Geschützturm das Feuer ein. Jetzt blieben den Deutschen nur noch einige der 15-Zentimeter-Geschütze. Nachdem die Deutschen von ihnen in der vorausgegangenen halben Stunde rund zehn schwere Treffer erhalten hatten, hielten die "Duke of York" und die "Jamaica" die "Scharnhorst" offenkundig für weitgehend kampfunfähig, denn sie stellten um 19.30 Uhr das Feuer ein. Bereits um 19.19 Uhr hatte Admiral Fraser von der "Duke of York" den kleineren Einheiten den denkwürdigen Befehl erteilt: "Finish her off with torpedos."
Das taten sie dann auch, dabei keinen Materialaufwand scheuend. Um 19.45 Uhr explodierten bei der "Scharnhorst" die Magazine. Das Schiff sank mit dem Bug voran. Das vorausgegangene Seesgefecht sollte die letzte Kampfhandlung zwischen deutschen und britischen schweren Seestreitkräften gewesen sein. Von den 1968 Mann Besatzung der "Scharnhorst" überlebten nur 36. A. Liedfeger
Im Detail ist der letzte Kampf in der "Schlachtschiff ,Scharnhorst " betitelten Nummer 84/85 der von Uwe Greve herausgegeben Reihe "Schiffe, Menschen, Schicksale" nachzulesen, die über den Buchhandel bezogen werden kann. Weitere Informationen zu dem Thema bieten neben dem von History Films erstellten zweiteiligen Videofilm "Schlachtschiff ,Scharnhorst - Geschichte eines deutschen Schlachtschiffes" die folgenden Publikationen: Heinrich Bredemeier: "Schlachtschiff Scharnhorst", 5. Auflage, Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg 1997. Siegfried Breyer: "Schlachtschiff ,Scharnhorst ", Podzun-Pallas-Verlag, Friedberg 1987 (Marine-Arsenal, Band 3). Fritz-Otto Busch: "Tragödie am Nordkap - Untergang des Schlachtschiffes ,Scharnhorst ", Adolf Sponholtz Verlag, Hannover, 1952. Hans H. Hildebrand, Albert Röhr und Hans-Otto Steinmetz: "Die deutschen Kriegsschiffe - Biographien - ein Spiegel der Marinegeschichte von 1815 bis zur Gegenwart", Band 5, Koehlers Verlagsgesellschaft, Herford 1982. Gerhard Koop und Klaus-Peter Schmolke: "Die Schlachtschiffe der Scharnhorst-Klasse - Scharnhorst und Gneisenau: Rückgrat der deutschen Überwasserstreitkräfte bei Kriegsbeginn", Bernhard & Graefe Verlag, Bonn 1991 ("Schiffsklassen und Schiffstypen der deutschen Marine", Band 2). Holger Nauroth: "Schlachtkreuzer Scharnhorst und Gneisenau. Die Bildchronik 1936- 1943", Motorbuch Verlag, Stuttgart 2002. Karl Peter: "Schlachtkreuzer Scharnhorst - Kampf und Untergang", E. S. Mittler & Sohn, Berlin, Darmstadt und Bonn 1951. Thaddeus v. Tuleja: Deutsche Schlachtschiffe und Schwere Kreuzer 1939-1945 - Erlebnisberichte von Einsätzen der Bismarck, Tirpitz, Scharnhorst, Gneisenau, Admiral Graf Spee und Prinz Eugen", Podzun-Pallas-Verlag, Friedberg ohne Jahr. A. J. Watts: "Der Untergang der Scharnhorst", Motorbuch Verlag, Stuttgart 1976. Mike J. Whitley: "Deutsche Großkampfschiffe", Pietsch Verlag, Stuttgart 1997.
Das Ende der "Scharnhorst" vor 60 Jahren: Das 31,5 Knoten schnelle, 38.900 Tonnen schwere, 234,9 Meter lange und 30 Meter breite Schwesterschiff der "Gneisenau" war mit neun 28-Zentimeter-Geschützen in Drillingstürmen bewaffnet |
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