|
Ganz anders als beim gesunkenen russischen Atom-U-Boot "Kursk" hat der Untergang des in Memel beheimateten Frachtschiffes "Linkuva" am 21. Juni kaum das Interesse der westlichen Medien gefunden. Daß bei diesem Unglück 350 km südlich der mexikanischen Stadt Acapulco 18 litauische Seeleute aus Memel den Tod fanden, änderte daran wenig.
Obwohl die Crew über die Gefahr unterrichtet war, fuhr das Schiff ins Zentrum des Hurrikans "Carlotta". Zur Katastrophe kam es, weil die "Linkuva" überladen war. Da das Wrack des Frachtschiffes bis heute nicht gefunden werden konnte trotz intensiver Suche der US-amerikanischen und mexikanischen Seestreitkräfte , erklärte man die Seeleute am 28. Juli schließlich für tot.
In Litauen selbst stand in diesem Sommer neben dem Schiffsunglück u. a. die Zukunft des Memeler Hafens im Mittelpunkt des öffentlichen politischen Interesses.
Das Gesetz über eine Freihandelszone im wichtigsten Hafen der Baltenrepublik , deren Eröffnung bereits für den 1. Oktober 2000 geplant war, hatte schon am 23. Mai die Zustimmung des zuständigen Seimas-Kommitees erhalten, ehe Staatspräsident Valdas Admkus Mitte Juli sein Veto einlegte.
Politiker und Journalisten rätselten zunächst, was den Präsidenten zu diesem unüblichen Vorgehen veranlaßt haben mag, und schnell war wieder von Intrigen die Rede. Doch dann erklärte die Sprecherin des Präsidialamtes, Violetta Gaischauskaite, am 11. August, daß Adamkus noch Verbesserungen forderte, die das Gesetz gegen die Gefahr von Korruption und Protektionismus absicherten.
Der Präsident vertrat die Ansicht, daß sich durch die Vorlage vom Mai einige Beamte hätten bereichern können und dem unlauteren Wettbewerb Tür und Tor geöffnet würde. Eine eigens einberufene Ermittlungskommission soll nun prüfen, ob bei der Formulierung des Gesetzestextes tatsächlich eine Lobby am Werk war, der es in erster Linie darum ging, sich selbst finanzielle Vorteile zuzuschanzen.
Ein in diesem Kontext häufig genannter Name ist der von Bronislova Lubis. Er ist Direktor von KLASCO, der größten Frachtdienstleistungsfirma im Memeler Hafen.
Nach der Zurückweisung des Freihandelsgesetzes an den Seimas und der dann am 29. August erfolgten Annahme einer korrigierten Vorlage wird es jetzt eventuell noch bis zum 1. Juli 2001 dauern, bis die Freihandelzone eröffnet werden kann. Die Infrastrukturarbeiten für die Zone, an der bislang allein die amerikanische Zigaretten-Firma Phillip Morris öffentlich Interesse bekundet hat, sind unterdessen weit fortgeschritten.
Bereits gemeldet hat sich auch die NATO, und dies obwohl noch gar nicht abzusehen ist, wann Litauen dem Nordatlantikpakt beitritt. Das Bündnis erhob Auflagen für einen Umbau der Hafenanlagen, um diese für NATO- Schiffe tauglich zu machen.
Zur Zeit kommen die meisten der in dem Hafen umgeschlagenen Güter noch aus der Russischen Föderation und den GUS-Staaten. Mit 48 Prozent steht Rußland klar an der Spitze aller Länder. Aus diesem Grund hat die Hafenverwaltung erst kürzlich, nämlich am 16. Mai, in Moskau eine eigene Repräsentanz eröffnet, die die Handelsbeziehungen Memels mit den Russen und anderen Ländern der GUS weiter verbessern soll.
Die von den Kreuzfahrern erbaute Burganlage der Stadt an der Dangemündung im heutigen Hafenbezirk, nach der einst Simon Dach den Ort "Mümmelburg" benannte, soll nun bald der Öffentlichkeit wieder zugänglich sein. Das bisher von einer Schiffswerft benutzte Gelände gehört der Kreisverwaltung und wurde mittlerweile der Stadt Memel übertragen.
Diese hat beim Deutschen Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege in Fulda, das schon die Dome von Riga und Königsberg saniert hat, einen Antrag auf Übernahme der Renovierungsarbeiten gestellt.
Von seiten der EU ist wiederholt beanstandet worden, daß die litauische Verfasung noch immer in Artikel 47 eine Klausel enthält, die es Ausländern verbietet, Boden zur landwirtschaftlichen Nutzung zu erwerben.
Nachdem bereits 1996 die Verfassung dahingehend geändert worden ist, daß Ausländer Grund und Boden in der Republik Litauen für nicht landwirtschaftliche Zwecke kaufen dürfen, hält Parlamentspräsident Vytautas Landsbergis nun eine weitere Öffnung auch im Interesse litauischer Landbesitzer für geboten. So manche von ihnen seien nicht in der Lage, ihr Land zu bewirtschaften, und müßten es wegen des Verbots eines Verkaufs an Ausländer brachliegen lassen, betonte Landsbergis.
In einigen Teilen des Landes ist die Privatisierung des Bodens nach wie vor nicht abgeschlossen. Im Bezirk Heydekrug zum Beispiel, der eine Fläche von 224 325 ha umfaßt, hatten fast 11 000 Menschen den Restitutionswunsch angemeldet, doch erst 3000 von ihnen bekamen ihr Land bislang zurück.
Ein Aktivposten im Kulturlebnen Memels war auch in diesem Sommer wieder der deutsche Bevölkerungsteil. Laut Einschätzung des Kreispäsidenten ist er sogar der regste unter allen örtlichen Minderheiten, obwohl zahlenmäßig viel kleiner als der der Russen.
Im Juni gab es die Premiere einer "Deutschen Kulturwoche", an der fast alle kulturellen Gruppen der deutschen Minderheitenvereine des Landes teilnahmen. Im Folgemonat fand dann in Nidden auf der Nehrung das vierte Internationale Thomas-Mann-Festival statt.
Leider ist jedoch auch das Memelland von den Kürzungen der Bunresregierung bei der Kulturarbeit nach §96 BVFG nicht verschont geblieben. Nicht nur, daß es um die geplante Errichtung eines Honorarkonsulates in Memel in letzter Zeit wieder ruhiger geworden ist. Auch die 1989 ins Leben gerufene Zeitschrift "Deutsche Nachrichten" in Memel ist betroffen. Sie erhält schon seit einem Jahr keine bundesdeutschen Redakteure aus dem Jung-Journalisten-Programm mehr.
Dafür konnte eine vom Verein der Deutschen, der Stadtverwaltung und dem Simon-Dach-Haus gebildete Initiativgruppe schon zum zweiten Mal Mittel des Europarates zur Förderung von Minderheitensprachen für ein deutschsprachiges Radioprogramm im Lokalradio "Bumsas" verbuchen.
Dort gehen zumeist ehrenamtlich arbeitende Studenten jede Woche mit einem einstündigen Programm auf Sendung und tun das ihre, der deutschen Kultur im Memelland eine Zukunft zu geben.
|
|