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Grenzfall Libanon

 
     
 
Der Deutschen Marine steht eine schwierige Mission bevor: Die Überwachung der 225 Kilometer langen Mittelmeer-Küste des Libanon im UN-Auftrage als Teil der Unifil-Friedenstruppe. Der konkrete Auftrag der Marine: Die Unterbindung des Waffenschmuggels für die vom Libanon aus operierende Hisbollah.

Der Libanon hat einem Einsatz der Deutschen Marine zwar zugestimmt, hatte sich aber bis zuletzt vorbehalten, in einer Sieben-Meilen-Zone seine Souveränität
srechte selbst auszuüben. Wäre es dabei geblieben, dann hätte jede noch so gut ausgerüstete Marine eine wirksame Kontrolle möglicher Waffenschmuggler nicht durchführen können. Die fahren im Zweifel nämlich im küstennahen Bereich oder sogar dicht unter Land.

Eine Einigung konnte dann doch noch erzielt werden. Libanesische Verbindungsoffiziere sollen nun auf Schiffe der Marine entsandt werden. Im Gegenzug darf die Marine auch in die Hoheitsgewässer des Libanon vordringen und Kontrollen erzwingen.

Die Bundesregierung wird den UN-Auftrag annehmen und damit erhebliche Kräfte für unbestimmte Dauer binden.

Zwar stellte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan gerade erst wieder einmal fest: Die Bundeswehr sei in der Lage, "alle Bündnisverpflichtungen und Anforderungen im Rahmen der laufenden Auslandseinsätze und eines möglichen Libanoneinsatzes" zu erfüllen.

Aber Marineexperte Stefan Kiekel ist sich sicher: "Der Einsatz im Libanon wird für unsere Marine zur echten Belastungsprobe."

Berlin hat den Vereinten Nationen offiziell eine Einsatzgruppe von zwei Fregatten, vier Schnellbooten sowie maximal 3000 Mann Besatzung angeboten. Darüber hinaus sind Minenjagdboote, ein U-Boot, einige Tender, ein Versorgungsschiff sowie eine "Tornado"-Staffel der Luftwaffe im Gespräch.

Fregatten wie die "Mecklenburg-Vorpommern" der "Brandenburg"-Klasse, die als Einsatzkommando-Plattform in Betracht kommt, gelten als gut ausgerüstet. Sie sind zur Seezielbekämpfung mit mehreren Waffensystemen ausgerüstet und verfügen über ausreichend Kommandoräume sowie jeweils über zwei Bordhubschrauber des Typs "Sea Lynx MK 88". Vor der libanesischen Küste würde neben einer Fregatte für die Kommandoführung auch eine zweite Fregatte für die Seeraumüberwachung eingesetzt.

Laut Angaben der Marine sollen Schnellboote der "Gepard"-Klasse der Einsatzgruppe angehören, die noch im Zusammenhang mit der Operation "Enduring Freedom" am Horn von Afrika als für wärmere Gefilde untauglich in die Kritik geraten waren. Es ging seinerzeit um fehlende Anlagen zur Klimatisierung, die in den für die Ostsee konzipierten Schnellbooten nicht eingeplant waren. Alle Boote der "Gepard"-Klasse (143 A) sind nun nachgerüstet worden. Ihre Aufgabe wäre die Durchführung der Kontrollen von verdächtigen Booten und Schiffen in Küstennähe.

Ab 2007 soll auch die erste Korvette einsatzbereit sein, die - ein Kompromiß zwischen Fregatte und Schnellboot - gleichfalls zur Küstenüberwachung ausgerüstet, aber deutlich besser bewaffnet ist.

Die Marineführung wird in der Einsatzgruppe auf Minenjagdboote nicht verzichten. Hier böte sich ein Minenjäger der "Kulmbach"-Klasse an, der Minenjagddrohnen des Typs "Seefuchs" einsetzen kann. Dabei handelt es sich um Einwegdrohnen, die sich mit der aufgespürten Mine selbst sprengen.

Einer der neuen Einsatzgruppenversorger, "Berlin" oder "Frankfurt am Main", soll den Nachschub sicherstellen, denn mit einem baldigen Ende im ewigen Krisengebiet Libanon ist nicht zu rechnen. Die Versorger dienen außerdem als Lazarett.

Die Einsatzgruppe bedarf zusätzlich einer Luftraumüberwachung. Die Marine rüstet zwar derzeit um acht Flugzeuge des Typs "P-3C Orion" zur Seefernaufklärung auf, diese sind jedoch nicht vor 2007 einsatzbereit. Eine "Tornado"-Staffel der Luftwaffe wird den Part wohl übernehmen.

Unterm Strich: Die Marine ist für den Einsatz passabel gerüstet.

Die Problemzone sei allerdings das Personal, meint Marine-Experte Kiekel. Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Wolfgang Nolting, hat festgelegt, daß Marinesoldaten maximal 180 Tage im Jahr auf See sein sollen. "Inzwischen sind aber Spitzenwerte von bis zu 220 Seetagen für Marinesoldaten normal", so Kiekel, "und das trotz Rückgriff auf Reservisten". Die lange Abwesenheit stellt eine ernstzunehmende Belastung für die Soldaten und ihre Familien dar. "Daran ist schon so manche Familie zerbrochen", erklärt ein ehemaliger Zeitsoldat und Reservist der Marine.

Ursache hierfür ist die Beteiligung der Marine an diversen Missionen, wie der Operation "Enduring Freedom", die seit dem 22. August von einem deutschen Marinestab der Fregatte "Schleswig-Holstein" geführt wird. Wenigstens eine Fregatte, zur Zeit die "Augsburg" ("Bremen"-Klasse), gehört dem ständigen Nato-Verband "SNMG 1" an. Auch an dem Nato-Minenjagdverband "SNMCG 1" ist die Marine stets mit mindestens einem Minensucher beteiligt. Derzeit gehören dem Verband, der sich auf ein Manöver in der Ostsee vorbereitet, der Tender "Werra" und das Minenjagdboot "Pegnitz" an. Zu diesen ständigen Nato-Verbänden und UN-Missionen kommen Ausbildungs- und Erprobungsfahrten sowie regelmäßige Manöver.

Bei der Ausweitung solcher Aktivitäten ist die Marine offensichtlich mit ihrer Personalkonzeption an Grenzen gestoßen.

 

Zeitzeugen

Karl Dönitz - Der Großadmiral und Oberbefehlshaber der deutschen Marine im Zweiten Weltkrieg ist der Begründer der Rudeltaktik im U-Bootkrieg: Geleitzüge mit vielen U-Booten angreifen. Als letzter Reichspräsident, das Amt hatte Hitler ihm testamentarisch übertragen, verzögerte er die vollständige Kapitulation, um die Flucht- und Absetzbewegung von Zivilisten und Soldaten vor den Sowjets im Osten zu sichern.

Felix Graf Luckner - Der Kapitänleutnant der kaiserlichen Marine und Kommandant des Hilfskreuzers "Seeadler" brachte es als "Seeteufel" zu Weltruhm. Luckner (1881-1966) durchbrach im Ersten Weltkrieg die britische Seeblockade und enterte und versenkte zwischen 16 und 23 feindliche Schiffe, wobei nur ein Mensch ums Leben kam.

Wolfgang Nolting - Der 1948 in Wilhelmshaven geborene Vizeadmiral ist seit Mai 2006 Inspekteur der Marine. Nolting hat seine Karriere 1967 in der Eliteeinheit der Kampfschwimmer begonnen. Der Familienvater ist einer der Protagonisten, die den Wandel der Marine zur weltweit einsetzbaren Teilstreitkraft vorantreiben.

Vizeadmiral ist der höchste Dienstgrad für Aufgaben in der Marine. Der Rang eines 4-Sterne-Admirals wird traditionell nur an einen Generalinspekteur oder für hohe Nato-Aufgaben vergeben.

Friedrich Oskar Ruge - Der erste Inspekteur der Marine (1956 -1961) begann den Dienst 1914 in der kaiserlichen Marine auf einem Torpedoboot. Ruge (1894-1985) war 1945 Vizeadmiral und Konstruktionschef der Marine. Er wirkte 1950 vor dem Hintergrund des Koreakrieges an der "Himmeroder Denkschrift" zur Wiederbewaffnung mit.

Alfred Peter Friedrich von Tirpitz - Der nach dem deutschen Großadmiral (1849-1930) benannte "Tirpitz-Plan" löste durch zwei Gesetze 1898 und 1900 den Aufbau der deutschen Flotte aus. Tirpitz, der 1900 geadelt wurde, setzte auf Linienschiffe. Die Großkampfschiffe sollten auf die britische Marine abschreckend wirken. Ein fatales Wettrüsten war die Folge, das Deutschland gegen die Seemacht Großbritannien nicht gewinnen konnte.
 
     
     
 
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