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Nichts funktioniert

 
     
 
Seit kurz vor Weihnachten gibt es einen Krieg am Horn von Afrika, der nach Ansicht von Beobachtern die Stabilität der gesamten Region bedrohen könnte. Somalische Regierungstruppen hatten - unterstützt von äthiopischen Verbänden - islamistische Milizen nach sechs Monaten aus der Hauptstadt Mogadischu vertrieben. Ein Teil der Kämpfer floh aus der Stadt, andere entledigten sich nur ihrer Uniformen oder Turbane und rasierten sich - wie Augenzeugen schilderten - die Bärte ab. Islamistenführer Scheich Scharif Ahmed erklärte, der Abzug aus der Stadt bedeute keineswegs eine Niederlage: "Mitglieder der Union der Islamisch
en Gerichte werden sich nicht ergeben. Wir werden uns verteidigen und dem Feind eine Niederlage zufügen."

In Somalia herrscht seit 15 Jahren Chaos und Anarchie. Nach dem Sturz von Diktator Siad Barre 1991 brach ein Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Clans aus. Seither gibt es in dem Land am Horn von Afrika keine funktionierende Zentralregierung mehr. Im Juni letzten Jahres vertrieb die Islamistenbewegung mit ihren Milizen die anerkannte Übergangsregierung. Sie führten die Scharia ein, das strenge islamische Rechtssystem. Für wenige Monate herrschte in Mogadischu und Teilen Somalias ein Mindestmaß an Recht und Ordnung. "Union of Islamic Courts" (UIC) nannten sich die neuen Herrscher, Vereinigung islamischer Gerichte.

Die UIC ist in den Elendsgebieten von Mogadischu entstanden, um ein wenig Ordnung ins Chaos zu bringen. So erfolgreich, daß sie sich langsam aufs Land ausbreiteten. In Somalia basiert der Islam auf dem Sufismus, der die Lehren des Korans traditionell gemäßigt auslegt.

Zu den Kämpfen zwischen den Islamisten und der schwachen Übergangsregierung kommt der Konflikt mit dem christlich geprägten Nachbarland Äthiopien, das ein islamistisches Regime in Somalia verhindern will. Mehr als 99 Prozent der etwa neun Millionen Einwohner Somalias, das knapp doppelt so groß ist wie Deutschland, sind Sunniten. Der Islam ist Staatsreligion. Islam und Clanstruktur bestimmen das Leben. Auch wirtschaftlich liegt das 1960 von Großbritannien und Italien in die Unabhängigkeit entlassene Land am Boden. Savannen und Halbwüsten prägen das Land, dessen zum Teil noch nomadisch lebende Bevölkerung ihren Lebensunterhalt im Wesentlichen mit Viehzucht und Ackerbau bestreitet.

Die permanente Gewalt und das Fehlen einer Zentralgewalt haben Somalia zur potentiellen Drehscheibe für Terroristen gemacht. Hinzu kommen durchlässige Grenzen, die Nähe zur arabischen Halbinsel sowie die fast 3000 Kilometer lange und kaum zu überwachende Küste am Indischen Ozean. An der Sicherung der Seewege ist im Rahmen der Militäroperation "Enduring Freedom" auch die Bundesmarine beteiligt.

Ob in Somalia, Liberia oder Sierra Leone, ob im Sudan oder in Angola, in keinem genannten Land läßt sich von einer funktionierenden Staatsmacht sprechen. Selbst Kenia hat es schwer, sein Gewaltmonopol in den Grenzgebieten zu Somalia aufrechtzuerhalten.

Analysten warnen davor, daß der Krieg gegen die Islamisten in Somalia trotz der militärischen Überlegenheit Äthiopiens nur der Auftakt einer lange andauernden regionalen Krise sein könnte. "Hat eigentlich niemand aus dem Irak-Krieg gelernt", fragt John Prendergast von der "International Crisis Group". "Jede militärische Strategie gegen Terrorismus ist zum Scheitern verurteilt. Auf lange Sicht schaden sie sich damit nur selbst", fügte er hinzu.

Doch wer sind "die Islamisten", deretwegen Äthiopien erneut einen Krieg mit dem Nachbarland riskiert hat? Viele sehen in ihnen vor allem die Vertreter des Hawiye-Clans, der bei der Bildung der Übergangsregierung nach eigener Einschätzung zu kurz gekommen war. Die islamischen Gerichte waren in den Jahren des Bürgerkriegs und der Anarchie eine letzte Ordnungsinstanz. Als ihre Milizen im Juni die Hauptstadt Mogadischu eroberten, wurden sie von einem großen Teil der Bevölkerung mit Begeisterung willkommen geheißen.

Nach Ansicht der USA und ihrer äthiopischen Verbündeten ist die "Union der Islamischen Gerichte" jedoch in erster Linie ein Sammelbecken für Terroristen mit engen Verbindungen zur El-Kaida-Bewegung. Zu ihren Mitgliedern sollen unter anderem die Verantwortlichen für die Anschläge gegen die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi 1998 zählen.

Die Erfahrungen der USA in Somalia sind seit dem Sturz des Diktators Siad Barré im Jahr 1991 geradezu traumatisch: Der Versuch, inmitten einer katastrophalen humanitären Situation 1993 die Herrschaft der Warlords zu beenden, scheiterte kläglich. 18 US-Soldaten wurden getötet, ihre von Kugeln durchsiebten Leichen von einer johlenden Menge demonstrativ durch die Straßen geschleift. Der Film "Black Hawk Down" machte das Schicksal der GIs unvergessen.

Mehr als ein Jahrzehnt später änderte die CIA im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes ihre Taktik und begann, eben jene früher bekämpften Warlords zu unterstützen, um den rasch wachsenden Einfluß der Islamisten zu schwächen. Als auch diese Strategie nicht aufging, schaltete sich das US-Außenamt in diesem Jahr in Vermittlungsbemühungen zwischen den Islamisten und der somalischen Übergangsregierung ein. Ein erneutes Umdenken wurde erkennbar, als der Afrikabeauftragte des Außenministeriums, Jendayi Frazer, vor dem angeblich zunehmenden Einfluß des Terrornetzwerks El Kaida auf die Islamisten in Ostafrika warnte. Zwar widersprachen andere US-Experten Frazers Einschätzung, das Ergebnis war jedoch, daß sich die USA wieder aus den diplomatischen Initiativen zurückzogen. Denn Verhandlungen mit Islamisten sind für Washington schlicht undenkbar.

Die USA hoffen nun offenbar, daß eine starke Machtdemonstration der Äthiopier den Islamisten zeigen wird, daß sie keine Chance haben, Somalia militärisch komplett in ihre Hand zu bekommen. Das könnte der erste Schritt zu neuen Verhandlungen sein. Für ganz unwahrscheinlich hält Ken Menkaus, Somalia-Experte am Davidson College in North Carolina, dieses Szenario nicht: "Wenn sich die beiden in dieser und vielleicht auch noch nächste Woche ihre Nasen aneinander blutig gerieben haben, sind sie in der Lage aufzuhören und sich zurückzuziehen." Dies könnte ein Fenster für die Diplomatie öffnen.

Unterdessen hat auch das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, an die internationale Gemeinschaft appelliert, eine politische Lösung für den Konflikt zu finden. Es drohe ein gefährliches Machtvakuum. Schon jetzt müßten Hilfsprogramme für die Bevölkerung eingeschränkt oder zeitweise gestoppt werden.

Unicef zufolge sind 1,8 Millionen Menschen in Somalia auf Hilfe von außen angewiesen, darunter 340000 Kinder unter fünf Jahren. Die Gesellschaft für bedrohte Völker warnte ebenfalls vor einer humanitären Katastrophe. Helfer rechneten mit bis zu 200000 neuen Flüchtlingen, hieß es. Ohnehin waren in Somalia schon vor Beginn der Kämpfe fast 25 Prozent der Bevölkerung unterernährt.

 

Unter deutschem Kommando

Seit 2002 ist die Deutsche Marine im Rahmen der "Operation Enduring Freedom" am Horn von Afrika im Einsatz. Dort hat sie den Auftrag, als Teil des Anti-Terror-Einsatzes, gemeinsam mit den Seestreitkräften anderer Staaten Nachschubwege des Terrors zu blockieren. Kostenpunkt pro Jahr: etwa 200 Millionen Euro.

Ursprünglich waren dort Schnellboote, Fregatten, Seeaufklärer und Hilfsschiffe eingesetzt. Inzwischen ist das Kontingent auf eine permanent teilnehmende Fregatte und zeitweise eingesetzte weitere Kräfte wie zum Beispiel Schnellboote reduziert worden. In Dschibuti gibt es außerdem eine kleine logistische Unterstützungseinheit. Im Gegensatz zur Marine im Libanoneinsatz dürfen die deutschen Soldaten am Horn von Afrika jedoch keine Schiffe gegen den Willen der Besatzung kontrollieren. Bisher sei daran jedoch keine Überprüfung eines Schiffes gescheitert, sagte der Kommandeur der deutschen Truppe in Dschibuti, Flottillenadmiral Heinrich Lange. Seit Einsatzbeginn im Februar 2002 habe die deutsche Marine 50 verdächtige Schiffe kontrolliert. Insgesamt seien etwa 11100 Schiffe überprüft worden, 70 Mal hätten die Deutschen einem Schiff Geleitschutz gegeben. Seit August 2006 steht der Einsatz am Horn von Afrika zum vierten Mal unter deutschem Kommando. Ein Nebeneffekt der Präsenz dieser Kräfte in der Region ist der Rückgang der Piraterie und damit eine Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage in dem ansonsten uns
 
     
     
 
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