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Wer soll das bezahlen?

 
     
 
Vom Kölner EU-Gipfel gingen zwar keine weltbewegenden Signale aus, doch ein Schritt zu mehr europäischer Gemeinsamkeit wurde durchaus gewagt Auf dieser letzten Sitzung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union unte deutschem Vorsitz ist am 4. Mai 1999 eine möglicherweise richtunggebende Entscheidung in bezug auf eine Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato und eine größer Unabhängigkeit von den USA getroffen worden.

Der Krieg auf dem Balkan hat die Mitglieder der Europäischen Union und de Westeuropäischen Union (WEU) für Fragen der gemeinsamen Sicherheit sensibilisiert Ausgerechnet der Krieg vor der Haustür der Nato-Staaten demonstrierte über längere Zei die Unfähigkeit der europäischen Mächte, dieses Problem mit politischen ode militärischen Mitteln zu lösen.

Anknüpfend an die Ministerrat
stagung der Westeuropäischen Union in Bremen wurde jetzt die Weichen für die Einbeziehung der WEU in die EU gestellt und der bisherig Generalsekretär der Nato, der Spanier Javier Solana, zum Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gewählt. Bundeskanzler Schröder konnt seinen Vorschlag, Solana zu wählen, indessen nur durchsetzen, nachdem er de französischen EU-Gesandten Pierre de Boissieu als Stellvertreter Solanas akzeptierte. E war also wieder ein in der Nato üblicher Handel.

Noch ist es verfrüht, Lehren aus dem Balkankrieg zu ziehen. Der Friede ist noch nich gesichert in der Region. Verbände des Slobodan Milos?evic´ haben bis zur letzten Stund die von ihm befohlene ethnische Säuberung fortgesetzt, gefoltert, getötet und die Kosovaren vertrieben, dies in einem Ausmaß, das an die Schlußphase des Zweite Weltkrieges erinnert, als Russen, Polen und Tschechen die Deutschen in ihren Ostprovinze ähnlich grausam behandelten und die Gebiete ethnisch säuberten. Dies ist die Zeit, sic an das Unrecht gegenüber den Deutschen in Ost- und Westpreußen, Danzig, Schlesien Pommern, Brandenburg und anderswo zu erinnern. Sie traf es damals noch härter als heut die Bosniaken oder Kosovaren. Es gab damals keine organisierte Hilfe, keine Flugzeuge fü den Weitertransport in ungefährdete Gebiete, keine internationale Solidarität mit de Flüchtlingen, die die Siegermächte nicht interessierten. Die Russen jagten die ostdeutschen Trecks vor sich her, überrollten sie zum Teil mit ihren Panzern, und die Welt sah zu.

Nato und EU wollen nicht weiter zusehen, das Morden auf dem Balkan beenden. Es soll ei Ende ohne Schrecken sein, mit der Perspektive eines friedvollen Nebeneinanderlebens de Völker. Spät hat die Nato erkannt, daß ihr Kalkül zu Beginn des Konfliktes nicht gan aufgegangen ist. Insbesondere hatte sie nicht begriffen, welche Rolle Rußland nach wi vor auf dem Balkan spielt und daß das russische Interesse ebenso national geprägt is wie das von England und Frankreich.

Auf dem Bremer WEU-Gipfel nahmen erstmals die Außen- und Verteidigungsminister vo Ungarn, Polen und der Tschechischen Republik teil. Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Fortentwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und auch damal schon der Krieg im Kosovo. Es bestand Übereinstimmung, daß die WEU in die EU integrier werden soll. Die Verwirklichung soll im nächsten Jahr unter der französische Präsidentschaft erfolgen.

Um die WEU in ihren Aufgaben neben der Nato zu verstehen, muß man ihre Geschicht kennen. Frankreich, Belgien, Großbritannien, Luxemburg und die Niederlande hatten a 17.3.1948 den Brüsseler Vertrag unterzeichnet, der zur Bildung eine Verteidigungsbündnisses, der Brüsseler Vertragsorganisation, der "Wester Union", führte. Diese Organisation entstand aus Furcht vor einer mögliche sowjetischen Aggression wie auch, offen ausgesprochen, aus Sorge um eine Bedrohung durc Deutschland. Nach der Berliner Blockade und dem Anfang des Korea-Krieges entstand in Westen der Wunsch, auch Deutschland für die westliche Verteidigung in die Pflicht zu nehmen und in die 1949 gegründete Nato aufzunehmen. Der Versuch, auf der Grundlage de Brüsseler Vertrages eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) unter Einbeziehun Deutschlands zu begründen, wofür schon gemeinsame Uniformen entworfen waren, scheitert am Widerstand Frankreichs 1954. Darauf wurde der Brüsseler Vertrag so geändert, da auch die ehemaligen Feindstaaten Deutschland und Italien beitreten konnten.

Der Brüsseler Vertrag wurde durch das Pariser Abkommen von 1955 ersetzt. Sein Kern is der Artikel 5, der alle Mitgliedstaaten im Falle eines Angriffs gegen einen Staat zu bedingungslosen militärischem Beistand verpflichtet. Diese Bindung unterscheidet sich vo allen anderen ähnlichen internationalen Vertragswerken, einschließlich de Nordatlantikpaktes. Mit dem Vertragswerk von 1955 wurden weitere wichtige Ergänzunge festgelegt:

1. Den Mitgliedstaaten wurden in ihrer Rüstungsproduktion einschneidend Einschränkungen auferlegt, dies natürlich mit Blick auf Deutschland, das lange Jahr noch nicht frei war u. a. beim Bau von Unterseebooten.

2. Es wurde die parlamentarische Versammlung der WEU begründet und

3. verpflichtete sich Großbritannien, auf dem Kontinent ständig ein bestimmte Kontingent von Streitkräften zu unterhalten.

Der WEU-Vertrag enthielt die Bestimmung, daß die Vertragsstaaten eng mit der Nat zusammenarbeiten sollen und Doppelarbeit mit den Nato-Stäben vermieden wird. Fü Deutschland wurde die WEU zum Sprungbrett in die Nato. Die Bedeutung der WEU schwand nachdem Großbritannien nach langem Zögern 1973 den Europäischen Gemeinschafte beigetreten war. Der Ständige Rat blieb zwar am Leben, ebenso die Versammlung der WEU un das Rüstungskontrollamt, doch bis 1984 fand kein Ministertreffen mehr statt.

Am Anfang der achtziger Jahre begann man beiderseits des Atlantiks im Bereich de Sicherheitspolitik zunehmend intensiv über Lastenteilung wie über die Stärkung de europäischen Pfeilers nachzudenken. Die WEU rückte erneut in das Interesse de europäischen Mitgliedstaaten. Begünstigt wurde dies durch den Entschluß von Präsiden Reagan 1983, zum Schutze der USA ein weltraumgestütztes Raketenabwehrsystem (SDI) zu installieren. Bei den europäischen Nato-Partnern wuchs Mißtrauen gegenüber de amerikanischen Plänen. Man befürchtete Zonen geteilter Sicherheit und sogar die Abkoppelung der USA von Europa. Dabei stellte man fest, daß die westeuropäische Nationen kein geeignetes Forum besaßen, daß sich mit diesen sicherheitspolitische Fragen beschäftigen konnte. Die WEU bot sich als Plattform an. Den entscheidenden Impul zu ihrer Wiederbelebung gab Frankreich, das immer dann in Aktion tritt, wenn es daru geht, amerikanischen Einfluß in Europa nicht zu stark werden zu lassen und die französische Rolle zu stärken.

Nach einem Treffen der WEU-Außenminister am 12. August 1984 in Paris mit erste Abstimmung der Ziele kam es zur "Erklärung von Rom", in der die Mitgliedstaate beschlossen, "die fortbestehende Notwendigkeit, die westeuropäische Sicherheit zu stärken" und die WEU nutzen, um die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in de Sicherheitspolitik zu verstärken und einen Konsens zu fördern." Es wurde eine Reih von institutionellen Reformen beschlossen, um die WEU für neue Aufgaben fit zu machen Daß die USA diese Aktivitäten distanziert betrachteten und übe "burdensharing", Lastenteilung, im Bündnis, nachzudenken begannen, ist nich verwunderlich. Immer dann, wenn es um Finanzen ging, wurde die Aktivität der WE gebremst. Was alle politisch wollten, wollte niemand bezahlen. Und das war ei Hauptproblem und wird es wohl noch bleiben.

Die Wiederbelebung der WEU verstärkte das Interesse anderer europäischer Staaten a diesem Bündnis. So wurde 1988 durch den Beitritt von Spanien und Portugal aus dem Klu der Sieben ein Neuner-Klub. 1992 trat Griechenland als Vollmitglied bei, Island, Norwege und die Türkei wurden assoziiert. Dänemark und Irland erhielten einen Beobachterstatus Auch Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, die Tschechische Republik die Slowakei und Ungarn wurden als "Konsultationspartner" und "Assoziiert Partner" aufgenommen. Mit ihrem Beitritt zur EU erhielten 1995 Finnland, Österreic und Schweden den Status als Beobachter. Zu allerletzt fand 1996 auch Slowenien als assoziierter Partner Aufnahme im Klub. Damit setzt sich die WEU heute aus zehn Voll- un drei assoziierten Mitgliedern zusammen, fünf Beobachtern und 10 assoziierten Partnern Darunter sind alle 15 EU-Partner und sämtliche europäische Nato-Staaten. All WEU-Staaten wirken am Entscheidungsprozeß im Rat der WEU mit. Sie können sich a Operationen der WEU beteiligen. Die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des Vertrage ist hingegen auf die zehn Vollmitglieder beschränkt.

Obwohl in Bremen alle Teilnehmer der Integration der WEU in die EU zustimmten, gab e doch differenzierte Auffassungen im Detail. So warnte Portugal vor einer vorschnelle Auflösung der WEU in der EU und auch Finnland hält die WEU in ihrer jetzigen Form fü das besonders geeignete Forum für die Zusammenarbeit der 21 Staaten in Europa. A deutlichsten tritt Frankreich für die Integration ein, ist jedoch auch der Auffassung daß für eine Übergangszeit Instrumente und Funktion der WEU noch beibehalten werde müssen und eine vorzeitige Auflösung nicht zu erwägen ist. Denn bei sofortige Integration kämen auf Frankreich erhebliche Lasten zu.

Nach dem Bremer Gipfel konnte die Bundesregierung einen kräftigen Impuls auf de Kölner Sitzung des Europäischen Rates am 3. und 4. Juni für die Gemeinsame Außen- un Sicherheitspolitik (GASP) erwarten. Die Erfahrungen des Balkan-Konflikts und vor allem de Kosovo-Schock wirkten dabei als starker Antriebsfaktor.

Ein wichtiger Punkt ist die Entscheidung über einen "Bericht zur Stärkung de Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GEVP)", der die Integration der WEU in die Union in die Wege leiten soll. Der von der deutsche Präsidentschaft formulierte Entwurf enthält Leitlinien, die den Rat befähigen sollen in nicht zu ferner Zukunft vom Handel bis zur Verteidigung über das gesamte Spektrum de auswärtigen Beziehungen zu entscheiden. Dazu wird die Schaffung einer militärische "Krisenbewältigungskapazität" der EU und die Bereitstellung der dafü notwendigen nationalen Streitkräfte empfohlen. Allen EU-Mitgliedern würde die Beteiligung an solchen Einsätzen offenstehen. Doch sollen auch autonome EU-Einsätze ohn Rückgriff auf Nato-Ressourcen möglich sein. Im verständlichen Deutsch: Konflikt können mit oder ohne die USA gelöst werden. Mit Nato-Truppen oder dem Euro-Korps.

Vieles spricht dafür, daß die Europäer tatsächlich mehr Verantwortung für ihr Sicherheit übernehmen wollen. Sie könnten es auch im eigenen, gemeinsamen Interesse Nicht bei jeder begrenzten Krisensituation müßten erst die USA zur Hilfe gerufen werden Die Staats- und Regierungschefs haben die gute Absicht zu mehr Selbständigkeit de Europäer, doch die Minister haben vermutlich die Kosten der größeren Selbständigkei nicht durchgerechnet. Wer will die Kosten beim Aufbau auf dem Balkan übernehmen? Die Serben fordern 190 Milliarden Mark. Geht es so aus, wie bei der Aufnahme vo Flüchtlingen? Alle Partner wollen Zusammenarbeit, aber wenn es um die Interessen de eigenen Nation geht, gerät die Einmütigkeit in Gefahr. Dies wird wohl ein Faktum bleibe in Europa.

Das 1993 aus der deutsch-französischen Brigade geschaffene Eurokorps kann auf mehr als 60 000 Soldaten und etwa 1000 Panzer zurückgreifen. Nach Belgien und Spanien war 199 auch Luxemburg mit einem Kontingent von 180 Mann beigetreten.

Die Frage ist ungelöst, ob es neben der Nato eine eigenständige in die EU integriert Streitmacht mit einer eigenen Kommandostruktur und eigener Logistik geben kann. Jede Verband der EU, abgekoppelt von der Nato, würde eine Schwächung des Bündnisse bedeuten. Doch immerhin, die 60 000 Mann des Eurokorps könnten im Kosovo eingesetz werden. Doch das will die EU selbst noch nicht. So bleiben Fragen unbeantwortet
 
     
     
 
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