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Ohne Kinder ist kein Staat zu machen

 
     
 
Deutschland braucht Kinder! - der Hilferuf der Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD), vor ein paar Wochen auf die Titelseiten deutscher Tageszeitungen plaziert, wirkt angesichts leerer Rentenkassen, eines kollabierenden Gesundheitswesens und bankrotter Staatsfinanzen ehrlich und auch einleuchtend. Aber was für eine Erkenntnis!

Jahrzehntelang haben große Teile der Linksparteien wie der Liberalen sowie Fortschrittspropheten bis weit in die Reihen der Christdemokraten so getan, als ob Kinder zu haben die reaktionär
ste Form menschlichen Daseins überhaupt wäre. SPD, Grüne, Liberale und auch CDU haben in großkoalitionärer Eintracht und im Namen der individuellen Selbstbestimmung ("Mein Bauch gehört mir!") gegen den Widerstand weniger "weltfremder" Abweichler liberalste Abtreibungsgesetze beschlossen (allein die Bayerische Staats- regierung zog seinerzeit dagegen vor das Bundesverfassungsgericht), auf deren Grundlage ungestraft jedes Jahr Hunderttausende ungeborene Kinder in Deutschland ihr Leben lassen müssen.

Gleichzeitig wurden über Jahrzehnte Familien mit Kindern steuerlich und sozialpolitisch in skandalöser Weise diskriminiert, während die Politik im Nachbarland Frankreich bereits gezielt und erfolgreich auf die finanzielle Förderung des dritten Kindes setzte.

Und jetzt das! Mitten in der totalen Hilflosigkeit der Berliner Politikszene, in der ein untauglicher Reformvorschlag den anderen jagt, um das ins Schlingern geratene bundesdeutsche Umverteilungssystem von den Familien mit Kindern zu den doppelverdienenden Kinderlosen wieder ins Lot zu bringen und dadurch den liebgewordenen, aber nächstens mangels Beitragszahlern leider nicht mehr finanzierbaren Sozialstaat zu retten, entdeckt die Regierung - die Kinder!

Wer bisher noch glaubte, mit der Sanierung der staatlichen Sozialsysteme stehe es gar nicht so schlecht, wie behauptet wird, sollte angesichts der von Renate Schmidt eingeleiteten ideologischen Kehrtwende ernstlich besorgt sein. Aber vielleicht genießt die Familienministerin innerhalb der Regierungsmannschaft auch nur Narrenfreiheit - nachdem SPD-Generalsekretär Scholz bereits alle Hemmungen abgelegt hat und den "demokratischen Sozialismus" aus dem Godesberger Programm der Partei streichen will, darf womöglich bei Rot-Grün auch wieder über Kinderkriegen gesprochen werden.

Als Sozialisten, Grüne, Liberale und Fortschritts-Christdemokraten noch auf Kondom-Marketing, Schwulen-Gleichstellung und Abtreibungsförderung standen, galt es als die politische Inkorrektheit schlechthin, das Thema "Bevölkerungspolitik" anzusprechen. Dabei ist - wie sich jetzt zeigt - das Gebot des Grundgesetzes, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen, keine romantische Verirrung der Verfassungsväter, sondern die nüchterne Einsicht politischer Realisten, daß ohne Kinder kein Staat zu machen ist.

Aber Kinder bekommen die Leute in einer von ökonomischen Überlegungen bestimmten Welt eben nicht "sowieso", wie bereits Konrad Adenauer fälschlich annahm, so daß die unkonventionellen Vorschläge des großen katholischen Sozialethikers Oswald von Nell-Breuning zu einer leistungsgerechten Förderung von Familien mit Kindern in Vergessenheit gerieten.

Der Staat hat ein vitales Interesse daran, daß in Familien mehr als zwei Kinder geboren werden, weshalb man der Familienministerin dankbar sein muß für ihre ebenso knappe wie ernüchternde Feststellung mitten im schwindelerregenden Reform-Karneval der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatte. Der Weg dazu führt über das Familien- und Kinderwahlrecht, die Aufwertung der gesellschaftlichen Stellung für Hausfrauen und Mütter, die ihre Kinder selbst erziehen, das Erziehungsgehalt, die Förderung von kinder- und familienfreundlichem Wohnungsbau, über massive Steuerentlastungen für Familien mit mehr als zwei Kindern und Kinderlosenabgaben zum gerechten Ausgleich der höchst unterschiedlichen Zukunftssicherungsbeiträge von Personen mit Kindern und Kinderlosen sowie nicht zuletzt wieder zu einem strafbewehrten Verbot der Abtreibung.

Aber keine Sorge, so weit sind wir in Deutschland noch lange nicht! Die Vorschläge der Regierungskoalition, die derzeit in Sachen Kinder- und Familienförderung auf dem Tisch liegen und sich vorwiegend mit der noch stärkeren Eingliederung junger Frauen in den Arbeitsprozeß sowie einer staatlichen Rund-um-die-Uhr-Betreuung des Nachwuchses im Sinne der zeitgeistigen DDR-Nostalgie beschäftigen, lassen eher vermuten, daß alles beim alten bleibt. Will heißen: "Unser Bauch gehört weiter uns selbst, Kinder sind mühsam, und unsere Zahnprothesen und Renten zahlen wir selber!" Oder nicht?

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