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Nur kurz vor der guten Nachricht nämlich hatte die Bundesregierung ihre vorerst letzte Mogelpackung aufgemacht und damit sogar bei den Grünen für Protest gesorgt: Der Bärenanteil der vorgezogenen Einkommensteuerreform wird mit neuen Schulden finanziert. Ein anderer durch "Privatisierungserlöse", deren tatsächliche Höhe nur geschätzt werden kann. Mit Grausen erinnern wir uns an die (wievielte?) "Bundeswehrreform" des unglücklichen Rudolf Scharping . "Privatisierungserlöse" sollten auch damals alles finanzieren. Es wurde ein Schlag ins Wasser. Der Verkauf der Objekte brachte kaum mehr ein, als ihre Vermarktung verschlungen hatte.
Damit die Schulden nicht regelrecht explodieren, wird sich Eichel also abermals mit höheren Steuern wieder holen, was er publikumswirksam "verschenken" will. Die Raucher, Pendler und Hausbauer sind bereits im Sack, seit dem vergangenen Wochenende kommen auch die Dieselfahrer in die Schußlinie. Wer ist der Nächste? Soviel ist sicher: Die Phantasie der Eintreiber kennt weder Scham noch Grenzen.
Was das Schlimmste ist: Trotz immer neuer Beutezüge wird es nicht reichen. Die mit leichter Hand verkündete höhere Neuverschuldung ist jedoch die perverseste Art der Verteilung von Rechten und Pflichten: Wir haben das Wahlrecht, die Nachkommen dafür die Zahlpflicht - und zwar bis an ihr Lebensende. Aber haben wir denn wirklich die Wahl? Täglich wird uns von der Notwendigkeit berichtet, daß "Regierung und Oppositon zum Konsens finden müssen", damit überhaupt etwas geschieht. Wozu wählen wir dann noch? Wäre es da nicht sachgerechter, es wie in der DDR zu machen: Alle sogenannten Parteien auf eine Liste setzen, die wir dann falten und einwerfen dürfen? Was soll das für ein parlamentarisches System sein, in welchem die Regierung nur regieren kann, wenn die Opposition ausdrücklich aufs Opponieren verzichtet?
Hier wird sichtbar, was das abgedroschene Wort von der "Strukturkrise" meint. Nicht bloß einzelne Gesetze sind schief. Die ganze Struktur, die Verteilung von Pflichten und Zuständigkeiten stimmt nicht mehr - die Politik, die wir täglich sehen, kann es daher auch nicht. Was in der Bundesrepublik passiert ist, läuft auf eine Entartung des (an sich vorbildhaften) Föderalismus hinaus. Noch in den 50er Jahren mußten gerade 30 Prozent der Bundesgesetze durch die Länderkammer, den Bundesrat, bestätigt werden. Heute sind dies rund 60 Prozent. Dieser Kompetenzzuwachs des Bundesrats wurde erkauft mit dem Aushöhlen der tatsächlichen Autonomie der Länder. So konnte am Ende keine Ebene mehr eigenständig entscheiden, wohl aber die andere blockieren.
Oder belasten: Denn dank der Verwischung der Kompetenzen darf die Bundesregierung kostspielige Entscheidungen treffen, die vornehmlich Länder und Gemeinden finanzieren müssen. Das fördert wahlkampfwirksame "Wohltaten", für die man nicht geradestehen muß. Hessens Justizminister Wagner fordert nun, das "Konnexitätsprinzip" ins Grundgesetz zu bringen. Das heißt: Jede Ebene, Bund, Länder, Kommunen, darf nur solche Ausgaben beschließen, die sie auch selbst zu bezahlen hat. Ein guter Vorschlag. Doch setzt er voraus, daß auch der "Länderfinanzausgleich", nach dem sparsame, erfolgreiche Länder an verschwenderische soviel abgeben müssen, bis alle in etwa gleich viel im Säckel haben, abgeschafft wird. Er ist Teil der selben Fehlentwicklung, die es möglich macht, daß eine Ebene auf Kosten der anderen, ein Bundesland auf Kosten der Nachbarn oder aber "im Konsens" eine ganze Generation zulasten der nächsten Ausgaben beschließt.
Die immer wieder ins Gespräch gebrachte Neugliederung der Länder wird keine Lösung sein. Das Beispiel USA zeigt, daß unverändert kleine Bundesstaaten über Jahrhunderte erfolgreich wirtschaften können. Sieben US-Staaten haben weniger Einwohner als Bremen. Das dauernde Blockade-Patt würde auch mittels größerer Länder nicht behoben werden. Elisa Wachtner
Teures Theater: Der Gesundheitsexperte der Union, Horst Seehofer (2. v. l.), und die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (4. v. l.) haben sich auf eine Reform des Gesundheitswesens geeinigt. Die Politiker feiern ihr Werk als "Durchbruch". Für die Bürger wird vor allem ein Einbruch beim Nettogehalt herauskommen. Statt einer tatsächlichen Reform des teuren Gesundheitswesens ist abermals nur eine Verlagerung der Kosten herausgekommen. Ab 2005 wird so die per Steuerreform 2004 freigesetzte zusätzliche Kaufkraft der privaten Haushalte wieder einkassiert. |
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