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Schuldenberge, leere Kassen und eine verzweifelt zwangssparende öffentliche Hand - Deutschlands jahrzehntelang geschobene und jährlich neu gemachte Staatsverschuldung entfaltet seit ein paar Jahren sichtbar eine lähmende Wirkung. Doch woher kommen die Schulden und bei wem hat Deutschland sie.
Die gute Nachricht: Die Republik gehört noch nicht ominösen ausländischen Investoren, auch droht keine feindliche Übernahme - der Bund, die Länder und die Gemeinden haben ihr Defizit überwiegend bei hiesigen Kreditanstalten (knapp über 50 Prozent), gefolgt von Banken im Ausland. Vor allem Banken finanzieren also die deutsche Staatsverschuldung. Welche Geldinstitute genau welchen Anteil tragen, ist nur ansatzweise bekannt. Man kann davon ausgehen, daß alle großen deutschen Kreditanstalten am Geschäft beteiligt sind, doch hier gilt Diskretion.
Außerdem haben Lebensversicherungen einen wichtigen Anteil an der Finanzierung des Staates: Sie legen die Beiträge der Versicherungsnehmer in Staatsanleihen an. Die statistisch von der Bundesbank als Gläubiger erfaßten "Nichtbanken" sind Firmen, vor allem Versicherungen (14 Prozent). Im Gegensatz zu früheren Zeiten trägt die Bundesbank nur einen winzigen Anteil zu den Mitteln bei, die der Staat aufnimmt.
Ausländische Gläubiger machen in punkto Gesamtschulden (1,4 Billionen Euro, siehe Schuldenuhr) 34 Prozent der Geldgeber aus. Sie beschafften 2003 19 Milliarden Euro (Stand: 1. Quartal), Kreditinstitute (allgemein) 13. Im Vergleichzeitraum 2004 lagen die Kreditinstitute mit einem 29 Milliardenanteil an der Neuverschuldung vor den ausländischen Gebern (13). Die Zahlen zeigen: Die (Neu-)Schulden sind gerade dort, wo der Bund gute Bedingungen zur Geldaufnahme vorfindet. Neben Banken und institutionellen Anlegern haben Privatleute und Firmen ein Interesse an Bundesschatzbriefen, kommunalen Schuldverschreibungen und anderen Wertpapieren, die der Staat zur Geldbeschaffung ausgibt. Denn er gilt als zuverlässiger Schuldner, die Nachfrage ist daher trotz weiterer Neuverschuldung weit größer als der staatliche Bedarf. Diese Papiere, die der Staat zum "Schuldenmachen" vergibt, werden auf dem sogenannten Rentenmarkt (Markt für festverzinsliche Wertpapiere) gehandelt. Dieser ist für den Staat von zentraler Bedeutung. Denn der Staat tilgt nicht wirklich, er schuldet immer nur um. Das heißt: Jede Woche zahlt er fristgerecht Anleihen in Milliardenhöhe zurück und muß dafür sofort neue aufnehmen. So wahrt er seinen Ruf als zuverlässiger Schuldner und schafft die Voraussetzungen für neue, noch höhere Verschuldungsmöglichkeiten. Im Blick der Behörden, die diese riesige Umschuldung steuern, ist daher überwiegend die Neuverschuldung. Die viel größere Last bedeuten jedoch die Gesamtschulden des Staates, die sich seit den 60er Jahren angesammelt haben und deren expandierende Zinslasten zu immer aufwendigeren Umschuldungen zwingen. Ein riskantes Geschäft, denn sollten die Gläubiger das Vertrauen verlieren, daß alles pünktlich zurückgezahlt wird, werden sie neue Anleihen nicht zeichnen. In diesem Fall ginge dem Staat binnen Wochen das Geld aus. Die Gehälter im öffentlichen Dienst, die Renten, die Sozialhilfe, kaum etwas könnte mehr vollständig und pünktlich bezahlt werden. Tatsächlich läuft das finanzielle Gebaren wie auf einem Rangierbahnhof für geliehenes Gut ab. Dieser Betrieb läuft über die Bundeswertpapierverwaltung und die "Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH", die ständig neue Gelder beschaffen. Für tatsächliche Rückzahlungen wurde bisher nichts aufgewendet oder aufgespart. Sobald ein Kredit fällig wird, nimmt der Staat einen neuen auf, um ihn zu bezahlen. Somit wird das Rangieren immer hektischer, die Gesamtlast durch Zins und Zinseszins höher und so auch die Abhängigkeit. Außerdem steigt mit sinkendem Handlungsspielraum die Anfälligkeit der Maschinerie für ökonomische Entwick-lungen. In einer Hochzinsphase könnte die Neuverschuldung rapide steigen, denn der Staat muß inzwischen stets umschulden, sonst bricht er zusammen. Dramatische Folgen zeigen sich bereits: Wenn Steuermittel aufgezehrt werden, um die Schuldenspirale in Bewegung zu halten, nehmen staatliche (Zukunfts-)Investitionen ab. Die Neuverschuldung dient nur noch dem Zinsendienst.
Betrachtet man Entwicklung und Verteilung der öffentlichen (Neu)-Verschuldung 2003 und 2004 (jeweils 1. Quartal, ohne Verschuldung der Haushalte untereinander) wird die Lage erahnbar: Der Bund ist trotz Beteuerungen, weniger neue Schulden zu machen, nach wie vor Motor der Spirale. Er nahm sogar wieder mehr fremdes Geld auf - zwangsweise. Die Gemeinden sind ebenfalls sichtbar am Ende jeden Handlungsspielraums. Ihre Schulden haben sich seit den 60er Jahren "nur" in etwa versechsfacht - die Schulden des Bundes nahmen seither um das 41-fache zu. Vergleiche hinken freilich, da die Bundesbankangaben die Nettokreditaufnahme (Neuverschuldung) zeigen. Konkret heißt das: Die Übernahme (zwischen den staatlichen Instanzen) und wie es beschönigend heißt der "Abgang" von Schulden (Umschuldung) werden bereits angerechnet. Eine Analyse der realen Zunahme der Schulden ist dank Bilanzierungskarussell nur ansatzweise möglich. Die öffentlichen Haushalte zeigen wenig Transparenz bei der Auflistung ihrer Schulden: Von der Bruttokreditaufnahme (weit höher als netto, beinhaltet Neuverschuldung und Kredite für Tilgungen) ist selten die Rede. Anfang 2004 wurde sie auf 219 Milliarden Euro geschätzt. 2004 mußte der Bundesfinanzminister jedoch schon früh mit Steuerausfällen, verhaltener Konjunktur und Mindereinnahmen rechnen - beste Voraussetzungen für neue Schulden in diesem Jahr ... |
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