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Schillers Theater als moralische Anstalt

 
     
 
In seinem Grußwort zur Schiller-Matinee am Berliner Ensemble hat Bundespräsident Horst Köhler an die bis heute andauernde Bedeutung des Klassikers erinnert, dessen 200. Todestag in diesen Tagen festlich begangen wird . An dieser Stelle dokumentieren wir Auszüge aus Köhlers Rede:

"Wir wissen, daß der Begriff der Kulturnation, der Schiller so wichtig war, sich zunächst darauf bezog, daß Deutschland eben politisch keine einige Nation war, sondern nur durch die Kultur als einigendes Band zusammengehalten war. Aber der Begriff ist dann immer mehr so verstanden worden, daß Deutschland in besonderer Weise ein Land der Kultur ist, eben das Land der Dichter und Denker.

Gibt es irgendeinen Grund, sich dessen zu schämen? Ich denke: nein. Wir sollten vielmehr diesen Begriff der Kulturnation neu prüfen. Wir sollten uns überlegen, wie wir ihn neu produktiv erschließen können. Ich glaube, er taugt noch etwas. Er kann uns einerseits an ein sehr kostbares Erbe erinnern. Vor allem aber kann er uns zu eigener Kreativität
herausfordern. Vielleicht kann er uns auch aus einer selbstvergessenen Verschlafenheit aufwecken...

Bleiben wir bei Schiller: Wie viel ist immer noch zu lernen von seinen Gedanken zur ästhetischen Erziehung? Wie viel ist immer wieder neu zu begreifen von seinen Überlegungen zum Zusammenhang von Menschsein und Spielen? Wie viel ist immer noch in die Tat umzusetzen von seinen Gedanken zu so kostbaren Begriffen wie "Anmut" und "Würde"? Wären Didaktiker, Pädagogen oder Kultusminister schlecht beraten, in dieser Hinsicht noch einmal bei Schiller in die Schule zu gehen?

Schiller besticht auch durch seine politische Leidenschaft und sein politisches Interesse. Was sind das für Stoffe! Es geht im Leben eben doch um mehr als nur den eigenen Bauchnabel und die eigene Befindlichkeit. Eine "moralische Anstalt" kann das Theater im Sinne Schillers nur sein, wenn es auch die politischen Bedingungen, unter denen die Individuen leben, im Blick behält.

Ein letzter Gedanke: Es hat Zeiten gegeben, da jeder, der in Deutschland die Schule verließ, eine ganze Menge Zeilen von Schiller auswendig konnte. Die eine oder andere Ballade zu lernen und für das Leben zu behalten - ich glaube, das richtet auch heute keinen größeren seelischen Schaden an. Schillers Sprache ist so faszinierend, daß man selber Lust bekommt an poetischer und gleichzeitig exakter, an differenzierender und - wie man so sagt - "gehobener" Sprache.

In einer Zeit, in der wir immer mehr von Bildern bestimmt und auch manipuliert werden, in der wir von Bildern dominiert werden, in der unsere politischen Entscheidungen, unsere Einstellungen und Überzeugungen, ja unser privater Seelenhaushalt von Bildern erzeugt werden, müssen wir aufpassen, unsere Sprach- und Ausdrucksfähigkeit nicht zu verlieren."

 
     
     
 
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