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Wenn ein amtliches Postwertzeichen herausgegeben wird, handelt es sich um einen hoheitlichen Akt. Damit ist der Bundesminister der Finanzen in der Person von Hans Eichel betraut, dem dabei das Referat Postwertzeichen zur Verfügung steht. Es wurde dem Finanzministerium nach der Auflösung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation im Jahr 1998 zugeordnet. Ein Programmbeirat aus Politikern und philatelistischen Fachleuten unterstützt dabei die Herausgabe neuer Briefmarken von der Themenfindung bis zur Motivauswahl.
Diesem Programmbeirat liegen jährlich über 800 Vorschläge für Briefmarken-themen aus der Bevölkerung vor. "Bedeutende deutsche Themen" sowie Jahrestage von Personen und Ereignissen werden nicht zuletzt auch unter regionalen Gesichtspunkten gewürdigt und in einer Vorschlagliste dem Bundes-finanzminister vorgelegt. Dieser organisiert auch die Gestaltung der Postwertzeichen, für die in der Regel Gestaltungswettbewerbe ausgeschrieben werden. Nach Beratung mit dem Kunstbeirat fällt der Bundesfinanzminister die Entscheidung, und die Briefmarken werden gedruckt. Schließlich erfolgt die offizielle Vorstellung durch den Bundesfinanzminister oder einen seiner parlamentarischen Staatssekretäre.
Manche nach der sogenannten Privatisierung entstandenen neuen Postdienstleister verwenden briefmarkenähnliche Erzeugnisse, meist mit dem Schriftzug ihres Unternehmens. Diese sind jedoch keine offiziellen deutschen Postwertzeichen. Nur den vom Bundesfinanzminister herausgegebenen Postwertzeichen ist der Schriftzug "Deutschland" vorbehalten, der sie zu einer weltweiten offiziellen Visitenkarte Deutschlands werden läßt.
Die Deutsche Post AG hat in den letzten Jahren eine Art Postkauderwelsch entwickelt, die ihrem Vorstandsvorsitzenden Klaus Zumwinckel schon 2002 den Negativpreis "Sprachpanscher des Jahres" eingebracht hat. Begriffe wie "global mail", "postage point", "easy trade" und "funcard mail" haben die Postkunden verwirrt und im Ausland Kopfschütteln ausgelöst. Das Motiv der Postfunktionäre lautet: Da die Deutsche Post AG sich als "Global Player" verstehe und im weltweiten Wettbewerb zu bestehen habe, ziehe sie sich aus der deutschen Sprache zurück. Kaltschnäuzig werden die über 70 Prozent der Deutschen, die kein Englisch verstehen, dazu gezwungen, ein englisch-deutsches Wörterbuch zu Rate zu ziehen, wenn sie mit der Post klarkommen wollen. Aber selbst das kann nicht immer helfen, denn bei Post-denglischen Wortungetümen wie "Lucky Päcks", "Open-Service-Schalter" und "Over-night-Zustellungen" sind auch die gängigen Wörterbücher überfragt. Hauptsache, Herr Zumwinckel versteht sie noch.
Unlängst hat die Sprachzeitung Deutsche Sprachwelt darauf hingewiesen, daß die Zumwinckel-Post nunmehr der deutschen Sprache auch auf ihren Postwertzeichen zu Leibe rückt, für die der deutsche Bundesfinanzminister die Verantwortung zu tragen hat. So firmierte die Europamarke 2003, die darstellen sollte, daß Plakate nicht nur der Werbung dienen, sondern auch ein Medium sind, das Kunst auf die Straße bringt, unter dem Titel "Poster-Art" statt deutsch als "Plakat-Kunst". Die nächste 45-Cent-Europamarke, die am 6. Mai 2004 an die Schalter kommt, wird unter dem Titel "Holidays" angekündigt. In Österreich, Liechtenstein und der Schweiz heißt die diesjährige Europamarke hingegen "Ferien".
Es ist noch nicht lange her, daß alle Fraktionen des Deutschen Bundestages die Gleichberechtigung der deutschen Sprache in der EU verlangt haben. Die Sprachzeitung weist zu Recht darauf hin, daß diese Forderung wenig glaubwürdig ist. Müssen doch die politisch Verantwortlichen in Europa, wenn sie Briefpost aus Deutschland erhalten, sehen, daß der deutsche Finanzminister Hans Eichel die deutsche Sprache völlig grundlos bei einem hoheitlichen Akt selbst in Deutschland aufgibt.
Hans Eichel sollte seine Entscheidung für die "Holiday"-Briefmarke schnell zurücknehmen. Ansonsten brüskiert er nicht nur den Deutschen Bundestag, sondern riskiert, daß er künftig nicht mehr der Herr Eichel ist, sondern der Mister Acorn.
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