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Als im Oktober 1944 die sowjetischen Armeen die ostdeutsche Grenze erreichten, kämpften im Nordmeer deutsche U-Boote verzweifelt darum, die Versorgungslinien der Alliierten zu unterbrechen. Wenn das gelungen wäre, dann hätte der Krieg einen für die Alliierten bedrohlichen Verlauf genommen. Deutschland wäre trotzdem unterlegen. Der Krieg hätte aber länger gedauert, und die Besetzung Ostdeutschlands hätte sich zumindest verzögert. Die schnelle Eroberung Ostdeutschlands im Winter 1944/45 war nur durch die technisch-materielle Unterstützung der Westalliierten
über das Eismeer ermöglicht.

Die Führungszentrale der deutschen 13. Unterseebootflottille mit unterstellter Luftaufklärung und über 50 U-Booten überwiegend des Typs VIIC lag in Narvik. Führer der Unterseeboote Norwegen / Nordmeer war der legendäre Fregattenkapitän Reinhard "Teddy" Suhren. Er hatte sich als Kommandant von U-564 hervorragend bewährt und war Träger des Ritterkreuzes zum Eisernen Kreuz mit Eichenlaub und Schwertern.

Die für die Sowjets äußerst wichtigen Nachschubgeleitzüge mit technisch hochwertigem Material liefen von Halifax (Kanada) über Loch Eve (Schottland) nördlich an Island vorbei nach Murmansk auf der Halbinsel Kola.

Die deutschen U-Boot-Rudel beobachteten diesen Schiffsverkehr - weit auseinandergezogen - in bestimmten Planquadraten im Raum Hammerfest, Spitzbergen, Bäreninsel und Barentsee. Bei Ortung eines Geleitzuges wurden sie über Funk zum Angriff zusammengezogen. Die Erfolgsquote war äußert gering, denn die gegnerische Abwehr war technisch überlegen.

Die Alliierten verteidigten ihre Geleitzüge mit jeweils über 30 Nachschubschiffen mit allen Mitteln. Flugzeuge der verschiedensten Bauarten wurden von Trägern und vom Festland zur Verfolgung aus der Luft eingesetzt. Sie waren allgegenwärtig und mit weitreichenden Ortungsgeräten und raffinierten Flieger-Wasser-Bomben ständig kampfbereit. Technisch bestens ausgerüstete Kreuzer, Fregatten und Zerstörer sicherten die Verbände vom Wasser aus. Die Funk-, Horch- und Radaraufklärung mit hochauflösenden Drei-Zentimeter-Radar-Geräten - teilweise von deutschen Wissenschaftlern entwickelt - war perfekt. Der Funkschlüssel der deutschen U-Boot-Führung war durch britische Fachleute geknackt worden. Man wußte um die Operationsbefehle und leitete die Geleitzüge entsprechend um. Dazu kam die schwere See im Nordmeer, die den teilweise unzureichend ausgebauten U-Booten vom Typ VIIC Bordschäden zufügte. Bereits im Mai 1943 kam es zu einer Krise. Die Boote wurden zurückgezogen und nachgerüstet. Die taktische Durchschlagskraft der deutschen U-Bootwaffe, die sich in der Atlantikschlacht 1941/42 bewährt hatte, wurde nie mehr zurückgewonnen.

Andreas Hillgruber hat ermittelt, daß es den U-Boot-Rudeln ab Herbst 1944 nur noch gelang, äußerst geringe Tonnagen alliierten Handelsschiffsraumes zu versenken. Die gegnerischen Geleitzüge kamen fast vollständig durch.

Die deutschen Boote hatten keine Chance. Der Nachschub aus den USA mit Kriegsmaterial für den Angriff der Roten Arme auf Ostdeutschland, Schlesien und Pommern kam durch. Die U-Boote der Nordmeerflotte wurden etwa zur Häfte versenkt. Nur vereinzelte Besatzungsmitglieder wurden gerettet.

Der für die Todesfahrten verantwortliche Fregattenkapitän Reinhard "Teddy" Suhren schrieb darüber: "Ich mußte sie immer wieder losschicken, bis sie einmal absaufen. Jedesmal, wenn ein Boot nicht wiederkommt, macht mich das fast krank. Ich kann nicht schlafen und überlege mir, woran es gelegen hat."

Die Kampfmoral der jungen Besatzungen war außerordentlich hoch. Ihr aussichtsloses Ringen wird von dem britischen Fachautor Peter Padfield mit dem Kampfgeist der Krieger in den antiken Schlachten verglichen. Ihre Belastung wird beispielhaft in den Aufzeichnungen des Nordmeer-U-Bootes 668 deutlich. Kommandant war Wolfgang Adolf Rudolf Vivigens v. Eickstedt, der seine Besatzung durch schwierigste Situationen bei den Eismeereinsätzen geführt hatte. An Bord war unter anderem der mit einer Ostpreußin aus Rudau im Samland verheiratete Herbert Dittkrist. Er hatte seine Ausbildung als U-Boot-Maschinist bei der 2. U-Boot-Lehrdivision in Pillau durchlaufen. Das Boot wurde auf sechs Feindfahrten im Bereich des Nordmeeres bis an die Eisgrenze eingesetzt. Im August 1944 heißt es im Kriegstagebuch von U-668: Eine Torpedoverschlußklappe wurde undicht geschlagen. Das Boot war nur noch beschränkt tauchklar. Ebenso leckte die Entlüftungsleitung eines Tauchbunkers und hinterließ auf der Wasseroberfläche eine verräterische Ölspur. Ein Rechner fiel durch Wasserbombeneinsatz aus. Torpedos entwickelten sich immer wieder als Selbstdetonierer. Die Lenzmittel und Batterien reichten für längere Unterwasserfahrten nicht aus. Die Halterungen der 3,7-Zentimeter-Bordflack und der Peilanlage (Tunis-Anlage) wurde durch die schwere See beschädigt.

Trotz dieser Lage sollten die U-Boote auf Befehl von Admiral Dönitz so lange Feindkräfte binden, bis ein neuerer größerer U-Boottyp im März 1945 zum Einsatz kommen sollte. Peter Padfield berichtet über diesen Typ XXI, der mit einen von IG Farben entwickelten Tarnüberzug gegen Radaraufklärung versehen war: Er hatte einen sehr leisen Elektroantrieb, eine Schnorchelausrüstung für längere Unterwasserfahrten und verfügte über ein neues sicheres Torpedosystem. Die Boote wurden unter anderem auf den Schichau-Werft in Danzig und in Elbing gebaut. Durch die Einnahme dieser Städte durch die Sowjets waren die Pläne endgültig hinfällig.

Um die Nordmeer-Boote nach der Kapitulation nicht in Narvik den Russen in die Hände fallen zu lassen, wurden sie in Trondheim zusammengezogen. Fünf britische Korvetten nahmen sie in Empfang und überführten sie nach England. Die Besatzung wurde im Dezember 1946 nach ordnungsgemäßer Behandlung entlassen.

Klaus Schulze-Sandhof

U-Boot-Einsatz im Nordmeer: Trotz aller Härte war die Motivation gut, denn es ging um die Verteidigung der Heimat gegen die Rote Armee.

 
     
     
 
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