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"Nazi-Gold" – mit diesem Begriff wurde monatelang die Presse strapaziert. Unter dem Wort subsumierte man vor allem aber jenes Gold, mit dem die Deutsche Reichsbank während des Krieges in der Schweiz Lieferungen von lebenswichtigen Gütern und Waffen bezahlt hatte. Angeblich soll es sich dabei um "Raubgold" gehandelt haben, Gold, das Deutschland aus den Beständen der Staatsbanken
der von der Wehrmacht besetzten Länder völkerrechtlich legal beschlagnahmt hatte. Die Kampagne war für ihre Urheber erfolgreich.

Es erhebt sich jetzt die Frage, was mit dem Gold der Deutschen Reichsbank geschehen ist, das nach Kriegsende den Siegern in die Hände fiel. Seriöse Literatur darüber gibt es offenbar in Deutschland nicht. Wurde dieses Gold auch tatsächlich geraubt? Und wenn ja, von wem? Wenn es aber nicht geraubt wurde, dann sollte man Antwort auf die Frage suchen, wo es geblieben ist. Wurde es als Reparation von den Siegern kassiert und damit unserem Reparationskonto für einen noch immer ausstehenden Friedensvertrag gutgeschrieben? Oder versickerte es in dunklen Kanälen? Günther Haase, Hamburger Anwalt und einer der besten Kenner dieser Materie, der auch ein materialreiches Buch über "Kunstraub und Kunstschutz" (Selbstverlag, 20146 Hamburg, Schlüterstraße 6) nach in den USA lagernden Unterlagen geschrieben hat, streift auch das Thema, wohin die Reichsbank ihre Devisen- und Goldreserven in Sicherheit gebracht hatte.

Anfang März 1945 wurde der größte Teil der Gold- und Devisenbestände der Reichsbank von Berlin nach Thüringen gebracht und in dem alten Bergwerk Kaiserrode in Merkers eingelagert. Am 4. April 1945 marschierten US-Truppen in Merkers ein. Dazu Haase in seinem Buch: "Sofort wurde die gesamte Grube durch starke amerikanische Militäreinheiten abgeriegelt. General Eddy, Kommandeur des 12. Korps, übernahm den Oberbefehl über die Abriegelung. Am 8. April um 8 Uhr betraten General Ernest von der 90. Infanteriedivision und andere die Mine. Am 9. April waren auch General Crawford vom Alliierten Hauptquartier SHAEF, General Clay vom Kriegsministerium, Brigadegeneral McSherry und Oberst Bernstein (beide SHAEF) zur Stelle. In den kommenden Tagen wurde erörtert, wohin das Reichsbankgold, die Devisenvorräte und die Kunstwerke gebracht werden sollten. Am 12. April 1945 erschienen dann General Eisenhower, General Bradley, General Patton, General Eddy und Mitglieder ihrer Stäbe, um den Schatz vor Ort zu besichtigen. Sie beschlossen, ihn nach Frankfurt zu bringen ... Der Gold-, Silber- und Devisenschatz wurde am 15. April 1945 um 7.45 Uhr vom Bergwerk Merkers nach Frankfurt auf den Weg geschickt. ... Ein bei der Inventarisierung anwesender amerikanischer Bankier schätzte den Wert der Goldreserven auf 250 Millionen US-Dollar. ... Nach einer Aufzeichnung von Oberstleutnant Morris wurden u. a. 446 Säcke mit Goldmark, 514 Säcke mit holländischen Goldstücken, 62 Säcke mit italienischen Goldmünzen, 8198 Goldbarren, 711 Säcke mit amerikanischen 20-Gold-Dollar-Münzen, 80 Säcke mit französischen Gold-Münzen, fünf Säcke mit je 20 000 italienischen Gold-Münzen, 80 Säcke mit englischen Gold-Pfunden sowie ca. 1000 weitere Säcke mit Goldstücken, eine große Anzahl verschiedener Devisenvorräte und insgesamt 2 760 000,00 Reichsmark in bar vorgefunden. Angeblich sind diese Bestände einem von den Alliierten eingerichteten Fonds zugeführt worden, aus dem jene Staaten, die behaupteten, die Goldvorräte seien vom Deutschen Reich bei ihren Staatsbanken beschlagnahmt worden, entschädigt wurden. Genaue Angaben sind der Öffentlichkeit nicht bekannt.

Nun fand man dort nicht die gesamten Gold- und Devisenvorräte der Reichsbank. Einen Teil hatte man in Berlin zurückgelassen und erst auf Anordnung des Präsidenten der Deutschen Bank, Walther Funk, nach Bayern ausgelagert. Die "Neue Zürcher Zeitung", die sich auf Ian Sayer und Douglas Hotting, Autoren eines Buches über "Nazi Gold", bezieht, berichtet, daß der Rest der Gold- und Devisenreserven der Reichsbank dem Kommandeur der Gebirgsjägerschule in Mittenwald bei Garmisch-Partenkirchen, Oberst Franz Pfeiffer, übergeben worden sei. Er ließ die Devisenbestände in der Umgebung verbergen.

Nach der deutschen Niederlage begannen die amerikanischen Besatzungstruppen eine fieberhafte Suche. Schließlich fand man an der Straße von Garmisch nach Oberau angeblich acht Millionen US-Dollars, die der Reichsbank gehörten. Nach dem Bericht der "Neuen Zürcher Zeitung" wurden die Dollars dem in Garmisch-Partenkirchen residierenden US-Kommandanten übergeben, einem Ingenieur aus Wisconsin. Er nahm die kostbare Fracht entgegen, und von da an verliert sich ihre Spur.

Aufgrund weiterer Hinweise fanden die Besatzer in der Nacht vom 1. zum 2. August in Oberau ein Versteck mit 400 000 Dollar. Sie wurden ins Divisionshauptquartier der Amerikaner in Garmisch gebracht. Was dann mit dem Geld geschah, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall ist es verschwunden.

Ein drittes Versteck soll sich "im Haus der Gebrüder von Blücher in Garmisch" befunden haben. Hier beschlagnahmten die Sieger 404 840 Dollar sowie 405 englische Pfund und stellten darüber sogar den Brüdern eine Quittung aus. Ein US-Geheimdienstoffizier namens Neumann soll die Notenbündel in den Kofferraum seines Wagens gepackt haben, um dann damit wegzufahren. Dazu die NZZ: "Das Geld wurde auf ein Konto der Besatzungsbehörden bei der Münchener Landeszentralbank eingezahlt. Doch hier scheint es sich in Luft aufgelöst zu haben; in den Büchern der Foreign Exchange Depository in Frankfurt sind diese Posten jedenfalls nirgends verzeichnet."

Die zuständigen amerikanischen Behörden ermittelten zunächst nach dem Verbleib der verschwundenen riesigen Geldsummen, doch als die Gründung der Bundesrepublik näher rückte, wurden alle amerikanischen Untersuchungen eingestellt. Es ist nicht bekannt, daß die deutsche Bundesregierung sich um Aufklärung bemüht hätte. Die 728 Goldbarren, die im Auftrag der Reichsbank in Mittenwald versteckt worden sein sollen, sind hingegen ordnungsgemäß zu den zuständigen amerikanischen Behörden gelangt. Sie gingen schließlich im Goldpool der Tripartite Gold Commission auf; das ist wohl jener Fonds, aus dem sich die Siegerstaaten entschädigen.

Es soll noch andere Bergungsorte der Reichsbank gegeben haben. Das dort gelagerte Gold und die Devisenbestände sind nie wieder aufgetaucht. Dazu die NZZ: "Es ist erwiesen, daß es vor allem in der ersten Phase der amerikanischen Militärverwaltung zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten kam." Amerikanische Behörden stellten 1948 fest, daß allein die Verluste an ausländischen Währungen aus dem Bestand der Reichsbank nahezu zwei Millionen Dollar ausmachten (heutiger Wert ca. 14,8 Mio.). Verschwunden sollen auch erhebliche Mengen von Gold sein, die zu einem Spezialfonds des deutschen Auswärtigen Amtes gehörten.

Die "Neue Zürcher Zeitung" schildert den Fall des US-Colonels James G. Fisher aus Wilmette. Er wurde Leiter der Untersuchungsabteilung der US-Militärregierung in Berlin, die die Aufgabe hatte, den vermißten Edelmetallreserven der Reichsbank nachzugehen. Die NZZ: "Zwar gelang es ihm, beträchtliche Vermögenswerte aufzuspüren, doch merkwürdigerweise landeten diese nie in der Foreign Exchange Depository in Frankfurt." Fisher betrieb hingegen in der ersten Nachkriegszeit einen schwunghaften Handel mit den Sowjets; bezahlte dafür mit Gold. Schließlich flog er auf; ein amerikanisches Gericht verurteilte ihn zu einem Jahr Gefängnis. Als ein zweiter Prozeß beginnen sollte, schaltete sich US-Präsident Truman persönlich ein und ordnete die Freilassung des Angeklagten an. "Sämtliche US-Akten über Fisher sind offenbar vernichtet", schreibt die NZZ. 1996 soll die Deutsche Bundesbank der Bank of England zwei Goldbarren übergeben haben zur Weiterleitung an den Gold-Pool der Tripartite Gold Commission; beide Goldbarren waren mit dem Hoheitsadler des Reiches versehen. Licht vertrüge auch die Angelegenheit, über die 1997 Wiener Zeitungen berichteten, daß nämlich die USA 1950 Hunderte Goldbarren mit Hakenkreuz-Prägungen umgeschmolzen und mit dem USA-Siegel versehen wieder ausgegeben haben.

Und an dieser Stelle drängt sich eine weitere Frage auf, die mit deutschem Gold zu tun hat: Wie ist es eigentlich zu erklären, daß in unseren Tagen der weitaus größte Teil der Goldreserven der Deutschen Bundesbank in den Tresoren der Federal Reserve Bank von New York lagert? Ein ungewöhnlicher Aufenthaltsort für die Goldreserven eines 1990 souverän gewordenen europäischen Staates!

 

 
     
     
 
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