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Nacht ist s; schon lange lautlose Stille um mich, nun wird s auch in mir still. Mein Geist beginnt zu wandern. Ein ätherblauer Himmel wölbt sich über mir. Ich schwebe körperlos empor. Es klingen die schönsten Harmonien von unsichtbaren Chören, in sanftem Wechsel gleich dem Athmen der Ewigkeit!" Diese einfühlsamen, zu Gemüte gehenden Worte stammen keineswegs von einem Literat en oder Dichter, geschrieben hat sie 1894 der Chirurg und Freund der Musik Theodor Billroth. Geboren vor 175 Jahren, am 26. April 1829, in Bergen auf Rügen, als Sohn eines evangelischen Pastors, hat Theodor Billroth Medizingeschichte geschrieben. Er zählt zu den bedeutendsten Chirurgen des 19. Jahrhunderts und gilt als Begründer der modernen Operationstechniken. 1874 konnte Billroth erstmals einen Kehlkopf entfernen, 1881 führte er in Wien die erste erfolgreiche Magenresektion durch. Auch seine Operationen der Speiseröhre bei Krebs, bei Zungenkrebs und Schilddrüsenerkrankungen erregten Aufsehen.
Allzugern wollte der junge Pommer Musik studieren, nahm dann jedoch auf Wunsch der Eltern ein Medizinstudium auf. Greifswald, Göttingen und Berlin waren die Stationen. Einer Professur in Zürich folgte 1867 eine in Wien. Obwohl Billroth immer wieder Angebote von anderen Universitäten erhielt, blieb er der alten Kaiserstadt treu, nicht zuletzt wohl deshalb, weil er dort enge Kontakte zu Johannes Brahms und zu dem Musikwissenschaftler Eduard Hanslick geknüpft hatte.
Hanslick war es auch, der nach dem Tod Billroths - er starb am 6. November 1894 im kroatischen Opatija - dessen Manuskript "Wer ist musikalisch?" herausbrachte, mit dem Billroth einen neuen Beitrag zur Musikästhetik geleistet hat. Der Pommer wußte nicht nur mit dem Skalpell meisterhaft umzugehen, sondern schrieb auch fesselnde Kritiken für die Neue Zürcher Zeitung, spielte Klavier, Geige und Bratsche und komponierte. Ein "Naturforscher im Kittel des Chirurgen" und ein versierter Kenner und Freund der Musik.
Treffen alter Freunde: Theodor Billroth (stehend) mit Johannes Brahms (Mitte) und Eduard Hanslick (links); nach einer Zeichnung von Seligmann
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