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"Wer sein Lebensrecht und seine Art zu sein, ja selbst seine Sprache für so gering erachtet, wird von anderen schwerlich Achtung erwarten können", so Wolf Kalz in "Ein Deutsches Requiem - Vom Aufstieg Preußens zum Niedergang der Republik". Der Historiker klagt über das deutsche Selbstverständnis und schildert anschaulich Teile der deutschen Geschichte.
Er beginnt mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. "Zwar sah man auch in Wien, daß vielerlei im Argen lag, plante im 15. Jahrhundert verschiedentlich eine Reichsreform an Haupt und Gliedern, doch wie auch wir Heutigen in puncto ,Reformen es zur Genüge kennen, man tat es allseits halbherzig und spekulierte stets auf einen faulen Kompromiß." Eindrucksvoll schildert der Autor, wie die jeweiligen Kaiser die Grenzen ihres Hausbesitzes zwar ausgeweitet hätten, dabei aber nie einer Strategie , geschweige denn der Vision einer deutschen Nation gefolgt seien. Habsburg habe seinen Machtbereich nach Süden, Osten, Westen, Osten ausgedehnt doch alles immer so, wie es gerade kam.
"Prinzipiell loyal zu Habsburg stand des Großen Kurfürsten Enkel, König Friedrich Wilhelm I. (1713-1740). Der Kaiser hätte keine bessere Stütze zum Besten des Reiches gefunden haben können als in diesem politisch so redlichen Hohenzollern; dem aber entgalt man seine Loyalität und gewisse Biederkeit mit Spott, Intrigen und ständigen Zurücksetzungen, bis sich Friedrich Wilhelm endlich verbittert von Kaiser und Reich abwandte." Sein Sohn Friedrich II. konzentrierte sich dann vollkommen auf die Stärkung seines eigenen Machtbereiches, und erst Generationen später kam aus Preußen der erneute Drang nach einer Nation. Hierzu unterstellt der Autor Bismarck, daß er genausowenig wie sein Nachfolger 120 Jahre später von vornherein die Einheit angestrebt habe.
Auch wenn Wolf Kalz immer wieder einmal über die deutschen Grenzen hinwegblickt, behält er sein Ziel fest im Auge: den Niedergang einer auf schwierigem Wege groß gewordenen Nation in all seinen Facetten zu schildern. So auch, warum der deutsche Widerstand 1942 bei Anfrage nach Unterstützung an die Alliierten unverrichteter Dinge abziehen mußte und warum ein formaler Friedensschluß mit dem Besiegten gar nicht erst in Betracht gezogen wurde.
Doch Deutschlands Feinde hätten nicht nur außerhalb der eigenen Grenzen gesessen, auch innerhalb habe es Gründe für den Niedergang gegeben: "Die deutschen Burschenschaften forderten, als sie, Luthers gedenkend, 1817 auf die Wartburg zogen - Einheit, Freiheit, Vaterland!" Menschen, die heute noch für ihr Land eintreten, sieht Kalz nicht. Und wenn es sie gebe, würden sie niedergemacht. Statt Vaterland gibt es jetzt "Verfassungspatriotismus", aber wer liebe eine Verfassung? "Und wer stürbe gar für eine solche?!"
Kalz, nicht nur Historiker, sondern auch Germanist und Politikwissenschaftler, gelingt es, seine Leser mitzunehmen auf eine Reise, die traurig endet. "Und die Deutschen? - Die tun, als wäre nicht einmal das Ihre das Ihre ..." Ein Verhalten, das der Autor nicht verstehen kann, denn "Deutschland ist nicht Andorra, sondern es ist das Herz von Europa", und dann macht er mehr als deutlich, warum man auf dieses Land stolz sein kann.
Wolf Kalz: "Ein Deutsches Requiem - Vom Aufstieg Preußens zum Niedergang der Republik", Lindenblatt Verlag, Fulda 2006, broschiert 258 Seiten, 17,80 Euro 5847 |
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