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Masse ist Macht. Dieses ungeschriebene Gesetz der Mediengesellschaft gilt auch für den irdischen Einfluß der Kirche. Deshalb ist der größte Gottesdienst, den Deutschland je erlebt hat, auch eine Demonstration. Sie zeigt, daß die Kraft des Glaubens in Deutschland nicht erloschen ist. Sie zeigt den Kleinmütigen unter den Bischöfen, daß sie in der Tat nichts zu fürchten haben, wenn sie die Inhalte des Glaubens verkünden. Benedikt XVI. tat es ungeschminkt und die Jugend jubelte. Und die Demonstration zeigt auch, daß die Wurzeln des Christlichen doch noch weiter verästelt sind, als die Funktionäre des organisierten Glaubens in den Ordinariaten selber annehmen. Das Jammern über die Säkularisierung und die Schwindsucht des Religiösen ist auch hausgemacht. Insofern haben die Jugendlichen manchen Bischöfen eine große Lektion erteilt.
Gewinner dieses Welttreffens ist zunächst der deutsche Papst, auch wenn er kaum aus der protokollarischen Umhegung heraustrat, was viele Jugendliche bedauerten, vor allem am Sonnabend. Aber er hat liebevoll und glaubwürdig die Botschaft dessen verkündet, den er vertritt. Auch gegenüber der Politik, die, von Bundespräsident Köhler abgesehen, mit diesem Gast irgendwie nicht ganz zurechtkam. Die betonte Skepsis eines Gerhard Schröder oder die gewollte Nähe einer Angela Merkel wirkten künstlich. Kardinal Meisner, der Gastgeber und Erzbischof von Köln, fand locker und selbstbewußt seinen Draht zu den Jugendlichen - sehr zur Überraschung einiger Amtsbrüder. Seine Glaubensstärke war die Brücke zu den Jugendlichen. Er gehört zweifellos zu den Gewinnern des Weltereignisses, sein Einfluß in der Bischofskonferenz dürfte auch bei der Wahl des künftigen Vorsitzenden im September stark ins Gewicht fallen. Der größte Gewinner aber ist die Jugend selbst. Ihre ansteckende Begeisterung und ihre Ernsthaftigkeit beim Gebet oder auch beim Zuhören in den zahlreichen Meditationen während der Weltjugendwoche vor dem Treffen mit dem Papst waren wie eine ausgestreckte Hand zur ängstlichen Generation der Älteren. So als wollten sie wie der Vorgänger von Benedikt XVI. sagen: Habt keine Angst, glaubt an die Kraft derer, die guten Willens sind, denn Gott ist mit ihnen. Insofern war dieses Welttreffen der künftigen Träger der Gesellschaft auch eine Antwort der Hoffnung auf die gegenwärtigen Auswüchse der Globalisierung.
Die strategischen Fehler bei der Organisation (Verpflegung und Verkehr) wurden vom Opfergeist der Jugendlichen aufgefangen. Was wäre passiert, wenn man es nicht mit friedfertigen Menschen, sondern mit Fußballfans zu tun gehabt hätte? Auch die Polizei war überfordert. Man hörte Funksprüche wie: "Tor acht ist nicht mehr zu halten", zeitweise herrschte das Ambiente eines Ausnahmezustands. Geistig gesehen war dieser schon Tage vorher erreicht und spätestens auf dem Marienfeld erlebte er den Höhepunkt, als Benedikt der Jugend zurief: "Gott hat gesiegt, denn er ist die Liebe." Man darf gespannt sein, wie weit und wohin er diese Gesellschaft trägt.
Gefeiert wie ein Popstar: So mancher Nichtkatholik blickte verwundert auf die im Fernsehen übertragenen Bilder des Weltjugendtages. Derart begeistert jubelnde und hysterisch schreiende Jugendliche hatte man zuletzt bei Auftritten des englischen Sängers Robbie Williams gesehen. Die Jugendlichen feierten den 78jährigen Benedikt XVI. |
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