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Er wollte Deutschland verändern und Angela Merkel hatte ihn auch als Wunderwaffe im Wahlkampf eingesetzt, die ihr jedoch schneller um die Ohren flog, als sie reagieren konnte: Paul Kirchhof. "Der Professor aus Heidelberg", wie Gerhard Schröder ihn abfällig bezeichnete, wurde als Gefahr für den Sozialstaat und das Gewohnte stilisiert, und die Wähler schreckten zurück. Über ein Jahr nach der Wahl scheint man sich jedoch seiner zu erinnern, denn anders ist es nicht zu erklären, daß sein aktuelles Buch "Das Gesetz der Hydra - Gebt den Bürgern ihren Staat zurück!" gleich nach Erscheinen zum Bestseller wurde. Würde die Lage dieses Landes besser aussehen, wenn Kirchhof sich hätte verwirklichen können? Auf jeden Fall wäre vieles anders geworden, und der ehemalige Verfassungsrichter glaubt auch noch heute fest an das, was er 2005 vertreten hat.
Anschaulich schildert er am Beispiel des antiken, neunköpfigen Fabelwesens Hydra, wie unser Staat von Interessengruppen fest im Griff gehalten wird. Die Hydra, der deutsche Staat, versucht die Ansprüche seiner mächtigen Köpfe zu befriedigen, indem er die Bürger ausquetscht und in Regeln erstickt. Doch: "Recht muß ein wertvolles, also ein rares Gut bleiben. Gegenwärtig wird das Recht durch eine Flut von Normen und Streitigkeiten fast erdrückt ... Wenn der Steuerpflichtige zurzeit mehr als 50000 Paragraphen zu beachten hat, kann er dieses Normenübermaß nur durch Resignation ertragen. Er gewöhnt sich daran, eine verbindliche Regel nicht beachtet zu haben; die Rechtsverletzung wird alltäglich. Der Rechtsstaat scheitert am Übermaß seiner Normen."
Ausgiebig, aber meistens überraschend anschaulich definiert der Wissenschaftlicher Freiheit, Staatsaufgaben, Recht, Gerechtigkeit und Gleichheit.
"Die Hydra will entwurzeln. Sie stellt die kulturelle Mitte des eigenen Lebens in Sprache, Geschichte, Nachbarschaft, Zugehörigkeit in Beruf, Sport, Religion in Frage, propagiert unbedingte Flexibilität und ständige Anpassungspflichten, macht Menschen immer tauglicher zum Erwerbsleben und immer untauglicher zur kulturell gestalteten Freiheit. Wer seine Nähe verloren und in der Weite keine Heimat gefunden hat, verliert das Fundament seiner Freiheit. Ungebundenheit ist nicht Freiheit."
Ohne Zweifel hat Paul Kirchhof ein ziemlich klares Regierungskonzept vor Augen. Dieses macht er mehr als deutlich.
Alles ist geprägt von einer Mischung aus Neoliberalismus und konservativ-bürgerlichem Gedankengut. Kirchhof führt so manche Merkwürdigkeiten an, wie zum Beispiel die Tatsache, daß es vor allem in Deutschland beliebt ist, Geld in eigener Hand als Kapital zu bezeichnen, Geld in fremder Hand jedoch als Kapitalismus. Und so gebe sich der Staat gern als Robin Hood, der den Reichen nimmt, um den Armen zu geben.
"Im Ergebnis wird eine Abkehr von der überhöhten Staatsverschuldung nur gelingen, wenn die Erwartungen an den Staat korrigiert werden", so die Forderungen des 63jährigen, Forderungen, mit denen er nicht nur die unbeliebten Politiker, sondern jeden hier im Lande anspricht und wo 2005 für die meisten der Spaß aufhörte. Bel
Paul Kirchhof: "Das Gesetz der Hydra - Gebt den Bürgern ihren Staat zurück!", Droemer, München 2006, geb., 383 Seiten, 19,90 Euro 5827 |
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