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Besondere Herrlichkeit

 
     
 
Es war schon ein merkwürdiges Gebilde, das sich da am Rande der Deutschen Werkbund-Ausstellung im Mai 1914 in Köln der Öffentlichkeit präsentierte. Wie kaum ein anderes Bauwerk erregte es die besondere Aufmerksamkeit des Publikums. Die einen lachten lauthals, waren empört und sprachen verächtlich von einem "Spargelkopf", die anderen zeigten sich angetan von diesem als Reklamepavillon für die Glasindustrie konzipierten Bau. Bruno Taut (1880–1938), der Architekt
aus Königsberg und Schöpfer des Glashauses, sprach selbst von einem Versuch, "ein Gewand für die Seele zu bauen".

Und in der Tat: das Glashaus erinnerte wirklich ein wenig an einen aus der Erde sprießenden Kopf eines Spargels. Gläserne Kugeln säumten einen Betonsockel, aus dem "ein gläserner Tambour" stieg, "ein vierzehnseitiges, von dünnen Pfeilern gestütztes Prisma, dessen Umrißlinien schon nach wenigen Metern ... in die sanfte und doch pralle Neigung einer leicht zugespitzten rhomboedrischen Kuppel übergingen", so Angelika Thiekötter vom Berliner Werkbund-Archiv. "Die spiegelnden Facetten der Kuppel nahmen bei schlechtem Wetter eine grünlich-gelbe Färbung an, was dem Gebilde den Namen ,Spargelkopf‘ eintrug, bei klarem Wetter spiegelten sie die kristalline Durchsichtigkeit des Äthers, die Bewegung der Wolken, das Spiel des Windes im Laub der benachbarten Bäume ... Nachts verwandelte sich der Körper, mit tausend Watt von innen illuminiert, in ein funkelndes, strahlendes Juwel ..."

Lange jedoch sollten sich die Menschen – vor allem Frauen und Kinder, wie Taut einmal bemerkte – nicht mehr an diesem Juwel erfreuen können. Als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, wurden die ersten Ausstellungsobjekte abgeräumt. Die Ausstellung wurde geschlossen und das Gelände zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Nach Ende des Krieges nutzte die englische Besatzungsmacht das Gelände. Einige Gebäude wurden noch saniert, darunter auch Tauts Glashaus, bis sie 1922 endgültig Baggern und Spitzhacken zum Opfer fielen. Noch zwei Jahre zuvor hatte Taut in einem Artikel bekannt: "Heute, wo nur noch sein Gerippe dasteht, heute scheint das Glashaus erst zu leben. Mit einem für mich ganz unerwarteten Interesse beschäftigten sich heute so viele geistig lebendige Menschen mit diesem nun nicht mehr vorhandenen Bau, daß alle Enttäuschung und Bitternis mehr als ausgeglichen wird ... Es hieße wenig an eine Sache glauben, wenn man sofort den großen Erfolg erwartet. Aber es heißt, seinen Glauben im schönsten Sinne bekräftigt zu sehen, wenn die tiefe Wirkung so offensichtlich zu Tage tritt." – Einen Eindruck dieser tiefen Wirkung konnten Besucher einer Ausstellung des Werkbund-Archivs 1994 nachempfinden, auf der ein Modell des Glashauses im Maßstab eins zu zwanzig gezeigt wurde. Bruno Taut selbst würde allerdings staunen, wenn er wüßte, daß der Baustoff Glas erst in unseren Tagen seine ganz besondere Bedeutung erlangt hat.

Der Königsberger war jedoch nicht der einzige, der sich bereits damals mit Glasarchitektur befaßte. Der 1863 in Danzig geborene Schriftsteller Paul Scheerbart (gestorben 1915 in Berlin-Lichterfelde) veröffentlichte schon 1893 einen Aufsatz über Glasarchitektur (in Das Atelier. Organ für Kunst und Kunstgewerbe). Im Sommer 1913 nahm er Kontakt zu Gottfried Heinersdorff auf, den Besitzer einer Werkstatt für Glasmalerei und Mosaik, um "Architekten oder Baulustige" kennenzulernen, "die mal derartiges bauen möchten". Heinersdorff stellte schließlich den Kontakt zu Bruno Taut her, dessen Glashaus zu der Zeit bereits Gestalt angenommen hatte. Taut über diese Begegnung 1920: "Mein Glashausprojekt für Köln führte mich ja mit dem Dichter Paul Scheerbart zusammen, der schon lange vorher in seinen großen Werken immer und immer wieder die Befreiung des Bauens vom Hergebrachten und deshalb nicht mehr Entwicklungsfähigen gepredigt und mich als seinen Verehrer auf mittelbarem Wege zu dem Plan eines Glashauses gebracht hat. Und es war weiterhin eine schöne Parallele, daß er gleichzeitig die programmatische ,Glasarchitektur‘ schrieb, während ich das Glashaus baute, beides schließlich gleichzeitig in die Öffentlichkeit kommend und beides gegenseitig einander gewidmet ..."

Scheerbart selbst schildert die Errichtung des Glashauses "als das größte Ereignis in meinem Leben". Insgesamt 16 Sprüche hatte er für das Glashaus gedichtet, von denen allerdings nur sechs angebracht wurden: vier am Stützring der Kuppel, je einer über den Ausgängen am hinteren Anbau: "Ohne einen Glaspalast ist das Leben eine Last." Oder: "Das Glas bringt uns die neue Zeit; Backsteinkultur tut uns nur leid."

Im Berliner Gebr. Mann Verlag, der sich auch dem schriftstellerischen Werk Bruno Tauts gewidmet hat, ist nun in der Edition Ars et Architectura (Hrsg. Helmut Geisert und Fritz Neumeyer) Scheerbarts Glasarchitektur herausgekommen (mit einem Nachwort zur Neuausgabe von Mechthild Rausch. 150 Seiten, geb. mit Schutzumschlag, 148 DM). Mit bemerkenswerter Sachkenntnis und viel Humor beschreibt der Danziger seine Vorstellungen einer gläsernen Umwelt, die unseren Planeten bewohnbarer machen, ihn aber zugleich auch in ein kosmisches Kunstwerk verwandeln soll. – "Die Erdoberfläche würde sich sehr verändern, wenn überall die Backsteinarchitektur von der Glasarchitektur verdrängt würde. Es wäre so, als umkleidete sich die Erde mit einem Brillanten- und Emailschmuck. Die Herrlichkeit ist gar nicht auszudenken. Und wir hätten dann auf der Erde überall Köstlicheres als die Gärten aus Tausendundeiner Nacht. Wir hätten dann ein Paradies auf der Erde und brauchten nicht sehnsüchtig nach dem Paradiese im Himmel auszuschauen." Peter van Lohuizen

 
     
     
 
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