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Der Alte lag im Tiefschlaf auf der Ottomane. Der Kopf war seitlings vorgeneigt. Die schlafroten Backen ließen das Gesicht fülliger und jünger erscheinen. Der da schlief, wirkte weder krank noch greisenhaft. Er war wie ein nach wilden Lebensfesten ruhender Poseidon - Bild des siegenhaften Daseins, des unverwüstlichen Ruhms." Mit diesen sehr schönen Worten beschreibt Gerhart Pohl seinen Freund, den berühmten Dramatiker Gerhart Hauptmann . In "Bin ich noch in meinem Haus? Die letzten Tage des Gerhart Hauptmanns" schildert Pohl Hauptmanns Erlebnisse während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im schlesischen Agnetendorf.
Als der alternde Meister während des Zweiten Weltkrieges aus gesundheitlichen Gründen nach Dresden ins Krankenhaus muß, erlebt er den Bombenhagel auf die Stadt mit. Natürlich greift der Literat nach diesem Erlebnis zur Feder, und als die NSDAP seine Zeilen im eigenen Interesse in einer Radiosendung veröffentlichen will, verweigert sich der 83jährige nicht. Sein Freund Pohl sieht darin vor allem die Gefahr, daß die voraussichtlich bald in Schlesien einrückende Rote Armee den die politische Lage nicht mehr ganz durchschauenden Senior deshalb als Faschist bezichtigen könnte, doch seine Sorge ist unbegründet. Die Rote Armee behandelt den Dramatiker ehrenvoll, gewährt ihm Vorteile in der Versorgung, denn Hauptmann galt auch in der Sowjetunion als großer Künstler, und so erhält er nun von Mitgliedern der Roten Armee Besuch, die dem alten Herren die Ehre erweisen wollen.
Pohl beschreibt aber auch den Anfang vom Ende für die Deutschen in Schlesien. Mit einem Auge für das Detail geht er schon auf die kleinsten Veränderungen im Lebensalltag der Deutschen ein, die immer mehr erkennen, daß die Polen sich in ihren Häusern einquartieren und deutsches Eigentum trotz Untersagung durch die sowjetische Besatzung beschlagnahmen. Dann kommt es zu den ersten Ausweisungen, Hauptmann, seine Frau sowie seine Freunde jedoch dürfen bleiben. Allerdings nicht lange. Gerhart Hauptmann will aber in seiner Heimat sterben, und tatsächlich besteigt der Sterbende nicht mehr den Zug in den Westen, doch sein Leichnam wird gegen seinen ausdrücklichen Wunsch überführt. Grund: angedrohte Grabplünderung und Leichenschändung.
Ein großes Dankeschön an den Herausgeber Günter Gerstmann, der Gerhart Pohls feinfühlige Aufzeichnungen wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Fritz Hegelmann
Günter Gerstmann (Hrsg.): "Bin ich noch in meinem Haus?", Martin-Opitz-Bibliothek, Herne 2003, broschiert, 123 Seiten, 9,80 Euro
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