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Der Frühling sollte eigentlich Frohsinn mitbringen. Die ersten Sonnenstrahlen senden eine leichte Ahnung von wärmeren Tagen vom Himmelszelt. Zartes Grün ist an Büschen und Bäumen zu entdecken, Tulpen und Narzissen strecken ihre Blüten der Sonne entgegen. "Vom Eise befreit ... im Tale grünet Hoffnungsglück ..." Nun ja, die Natur ist offensichtlich befreit von den Unbilden des Winters, der Mensch aber hat diese Wandlung kaum mitgemacht. Er bewegt sich immer noch im gleichen Alltagstrott, nimmt sich nicht die Zeit, die Schönheiten des Frühlings zu entdecken.
"Ich komme mir vor wie ein Hamster im Laufrad", sagt Susanne B., Hausfrau und Mutter zweier halbwüchsiger Kinder. "Ich laufe und mache und laufe und mache und doch habe ich kaum etwas bewirken können. Von wegen Alltagstrott! Die Zeit rennt mir davon und ich renne ihr hinterher ..." Ein Phänomen, gegen das nicht nur (Haus)Frauen anzukämpfen haben, das irgendwann einmal auch krank machen kann. Diese Menschen nehmen sich zuviel vor, wollen an einem einzigen Tag alles erledigen, was eigentlich Wochen braucht. Je schneller sie in ihrem Laufrad rennen, umso schneller dreht sich dieses Rad natürlich. Zeit ist Geld, sagt der Volksmund. Tatsächlich, Zeit zu haben zeugt von einem gewissen Wohlstand. Das zu tun, was man wirklich möchte, und nicht das, was andere von einem erwarten - davon träumen die meisten Menschen nur. Funktionieren ist das Zauberwort der modernen Leistungsgesellschaft. Der Mensch muß funktionieren, muß alle Erwartungen erfüllen, wie eine Maschine laufen.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu", hat Ödön von Horváth einmal ironisch gesagt. Das wahre Gesicht zu zeigen fällt vielen Menschen schwer. Zu zeigen, wie man wirklich ist, ohne in eine Rolle gedrängt zu werden, ohne "funktionieren" zu müssen wie ein Schweizer Uhrwerk. Die eigenen Stärken zu entdecken und die Grenzen zu akzeptieren, dazu muß man sich bewußt Zeit nehmen - vielleicht an den bevorstehenden Feiertagen ? Innehalten im täglichen Getriebe, das Laufrad einfach einmal anhalten und in sich gehen, dann ist vielleicht auch etwas von dem Hoffnungsglück zu spüren, von dem Goethe in seinem "Faust" spricht.
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