|
Pfingsten! Kämen nicht viele unter uns in Verlegenheit, wenn sie eine Antwort auf die Frage geben müßten, warum sie eigentlich Pfingsten feiern? Was würden Sie, liebe Leser, wohl antworten?
Die Frage nach Pfingsten, dem Gedenktag an die Ausgießung des Heiligen Geistes, ist absolut keine Frage am Rande, sondern eine Kernfrage des christlichen Glaubens. Der bekannte Theologe Karl Barth, Verfasser einer vielbändigen Dogma tik, sagte am Ende seines Lebens: "Wenn ich noch einmal mit einer Dogmatik beginnen könnte, dann würde ich mit der Frage nach dem Heiligen Geist beginnen." Gibt es nicht oft einen gewissen Engpaß selbst bei Theologen und Gemeindegliedern bei dem Thema "Heiliger Geist"?
Wer oder was ist der Heilige Geist? Wie kommt man hinter das Geheimnis dieser göttlichen Kraft und Macht? Wo ist in unserem Leben Platz, wo Raum in unserer Welt für das Wirken dieser Kraft von oben? Was bewirkt der Heilige Geist, wenn er weht? Was geschieht heute, wenn er sich "auf einen jeglichen von uns setzt"?
Zunächst wissen wir doch nur, daß ausschließlich der menschliche Geist alle und alles regiert, in der kleinen wie der großen Welt. Er treibt die Maschinen aller Art an. Wir wissen, daß, beispielsweise, es einzig dem Forschergeist der Ärzte und anderer Wissenschaftler zu verdanken ist, wenn Krankheiten zum Rückzug gezwungen werden. Wo ist da Raum für das Wirken des Heiligen Geistes?
Viele technische Errungenschaften, die wir nur ungern vermissen möchten, zeigen doch, daß der Mensch versucht, der Schöpfung ihre letzten und tiefsten Geheimnisse zu entreißen. Wird nun das menschliche Leben dadurch freier, reicher, glücklicher? Das ist die Frage!
Ist vielleicht das, was wir mit unseren natürlichen und künstlichen Sinnen zu erkennen vermögen, nur die eine Hälfte des Ganzen, das es zu verstehen gilt? Finden wir das Maß des ganzen menschlichen Lebens, wenn nur das als wahr gilt, was meßbar ist mit unseren Instrumenten? Wahrscheinlich nicht. Denn um das Ganze zu finden, um die Welt ganz, heil und neu zu machen, dazu bedarf es einer anderen, neuen Vernunft; dazu bedarf es einer Einsicht, einer Kraft des Verstehens, eines Durchschauens und Hinter-die-Dinge-Sehens, die höher ist als alle bisherige Vernunft. Es bedarf dessen, was die Bibel den Heiligen Geist nennt.
Und nun nehmen wir unsere eingangs gestellte Frage wieder auf: "Wer oder was ist der Heilige Geist?"
Die Bibel beschreibt den Heiligen Geist als die Kraft, die zum "Durchschauen der Geister" befähigt. Er durchschaut diejenigen, die die Schöpfung bis an die äußersten Grenzen und Ränder in Besitz nehmen wollen, gleichzeitig als Menschen, die die Schöpfung auch zu schänden in ständiger Gefahr sind. So schaut der Heilige Geist, so schaut man im Heiligen Geist Triumph und Niederlage des menschlichen Geistes zusammen! Nach biblischem Verständnis ist der Heilige Geist Gott selbst bzw. Christus selbst, die uns dieses "Durchschauen der Geister" ermöglichen. Im 1. Johannes-Brief finden wir die Aufforderung: "Prüfet die Geister, ob sie von Gott sind!"
Weiter läßt uns die Bibel wissen, daß Gottes Geist, der Heilige Geist, uns als Beistand, Helfer und Tröster begleitet, wenn wir darum bitten. Er gibt uns die Gewißheit, daß wir Gottes Kinder sind; daß der gekreuzigte Jesus Christus, für uns gestorben, nicht der Unterlegene und Begrabene, sondern der Auferstandene, Siegreiche und lebendig Gegenwärtige ist.
Natürlich wirkt sich Gottes Geist auch in verschiedenen Geistgaben aus, die er der Gemeinde gibt. Wo ein Leben vom Heiligen Geist beherrscht wird, findet man auch "Früchte des Geistes", einschließlich der Wei-tergabe des biblisch fundierten Glaubens.
Die wohl anschaulichste Zusammenfassung über das Wesen und Wirken des Heiligen Geistes hat der Reformator Martin Luther im Kleinen Katechismus in der Auslegung des zweiten Hauptstückes zum dritten Artikel gebracht (Evangelisches Gesangbuch, S. 1557, Bayerische Aus- gabe):
"Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten; gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten, einigen Glauben; in welcher Christenheit er mir und allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergibt und am jüngsten Tage mich und alle Toten auferwecken wird und mir samt allen Gläubigen in Christus ein ewiges Leben geben wird. Das ist gewißlich wahr."
Als das Pfingstwunder geschah - bitte lesen Sie in der Apostelgeschichte die Kapitel 2 und 4 -, waren alle tief bewegt, ergriffen, geschüttelt, erschüttert. "Was will das werden?" Alle Anwesenden aus aller Herren Ländern verstanden die Sprache Gottes ohne Übersetzungsanlage! Gott hat gesprochen und ist gegenwärtig. Die Menschen verstanden sich, waren durch den Heiligen Geist im Glauben vereinigt und es ließen sich an die 3.000 Menschen taufen. Der Heilige Geist hat sie erfaßt. Damit begann das Werden und Wachsen der Kirche auf der Grundlage von Verkündigung, Taufe, Für- und Seelsorge.
Hat der Heilige Geist auch mich erleuchtet, erfaßt, berufen? Daß ich meinen Glauben leben, bekennen und weitergeben kann? Innerhalb und außerhalb meiner Glaubensgemeinschaft. Er, der Heilige Geist, erleuchtet, sammelt und erhält mich und die ganze Christenheit im rechten Glauben. Dafür bin ich Gott Vater, Sohn und dem Heiligen Geist dankbar; insbesondere, aber nicht nur zu Pfingsten.
Heydekrug: Altar mit einer Darstellung der anbetenden Kirche. Das Fresko schuf Richard Pfeiffer 1924/26. |
|