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Wissenschaftlich heißt die auch in deutschen Nadelwäldern häufig anzutreffende Krons- oder Preiselbeere Vitis idaea. Das bedeutet: "Weinstock am Ida-Gebirge". Kreta-Reisende haben beim Wandern im dortigen Ida-Gebirge das weite Flächen an Berghängen bedeckende, nur 10 bis 30 cm hohe, immergrüne Kraut mit den blanken, ledrigen Blättern gewiß gesehen und vielleicht auch Wein gekostet, den man schon zur Zeit der alten Griechen aus den kleinen, roten Beeren zu keltern verstand. Hier an den warmen Hängen kann man die Früchte der Kronsbeeren jährlich zweimal ernten , wenn im April und noch einmal im August die krugförmigen, weißen oder lichtrötlichen Blüten in gedrängten Trauben Bienen und Hummeln zur Einkehr lockten. Nur sie können dank ihrer langen Rüssel Honig aus den Glöckchen saugen. Die anfangs weißen Preiselbeeren tragen als Krönchen noch als gereifte rote Früchte den vertrockneten Blütenkelch.
Hier in Deutschland blühen die Sträucher zumeist Anfang Mai und auch wohl noch einmal im September/Oktober, aber ihre Beeren reifen nur im Sommer. Dann ist die Schar der Sammler groß, denn Kronsbeeren sind wegen ihres Wohlgeschmacks eine Delikatesse. Der hohe Gehalt an Zitronen- und Apfelsäure macht die Früchte herb-sauer. Daher sind sie für den Rohverzehr nicht geeignet trotz ihres Vitaminreichtums. Aber gezuckertes Kompott aus dem gekochten Obst, Marmelade, Likör und Schnaps von Kronsbeeren sind Delikatessen!
Die ausgedehnten Wälder im Gebiet des Riesengebirges, in Masuren und Schlesien haben immer noch Raum für große Heidelbeer- und Kronsbeeren-Teppiche. Zur Erntezeit pflücken viele polnische Sammlerinnen die begehrten Früchte für den deutschen Markt.
Beide Beerensträucher gehören zur Familie der Ericaceae, sind also nahe miteinander verwandt. Die Blau- oder Bickbeere verliert allerdings im Herbst ihr Laub. Sie ist nicht so frostresistent wie ihre Schwester und kann daher in nördlichen Regionen nicht gedeihen. Die Krons- oder Preiselbeere hingegen klettert in den Alpen bis zur Höhe von 3000 m herauf. Man findet sie in den Pyrenäen und im Himalaja, in Skandinavien noch in der Nähe des Polarkreises, in Grönland, den arktischen Zonen Nordamerikas und Asiens.
Ihre unterirdischen, ziemlich gradlinig kriechenden, schuppig beblätterten Ausläufer treiben oberirdische Zweige aus, die mit verkehrt-eiförmigen, etwa 1 cm kleinen Blättern besetzt sind, dunkelgrün, unterseits heller und mit zahlreichen dunklen Drüsen punktiert. Nach vier Jahren fällt das Laub ab. Die Pflanze vermehrt sich wirksamer durch ihre Ausläufer, als daß die Waldvögel, die die mehrsamigen Beeren gern fressen, zur Verbreitung beitragen können.
Heilkräftig und seit altersher bewährt ist ein Tee, der aus den getrockneten Blättern der Vitis idaea bereitet wird. Die Wirkstoffe Arbutin, Hydrochinongetiobiosid und Caffeoylarbutin, Gerbstoffe, Flavonoide und Triterpene können Entzündungen der Harnwege, Gicht, Rheumatismus und Steinleiden lindern. Nach neuesten Erkenntnissen ist aber wegen Arbutin und Hydrochinon eine toxische Wirkung bei längerer Anwendung nicht auszuschließen. Darum muß die auf jeder Packung dieser Arznei vermerkte Dosierungsanweisung beachtet werden. Die Pharmazie bezieht diese Droge vorwiegend aus Wildbeständen in England und Skandinavien.
Anne Bahrs |
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