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Wer mit Schafen etlicher Rassen zu tun hat, erkennt bald die erheblichen Unterschiede der Vliese. Die ursprünglichen Landschafe unserer Breiten haben eine besonders angepaßte Struktur ihres Wärmeschutzes. Kurzhaare, darüber sehr feine Wollfasern in großer Dichte und noch darüber Langhaare zur Abwehr von Regen und Schnee befähigen sie zu ganzjähriger Weide. Solche Vliese ermöglichen eine erhöhte Regulierung der inneren Luftzwischenräume, sparen damit Energie und unterstützen rassetypische Vitalität. Besondere Beispiele sind die Ostdeutschen Skudden und die Rauhwolligen Pommerschen Landschafe. Beide gehören zu den ältesten nachweisbaren Schafrassen des nördlichen Kontinents. Nur wenige Tiere dieser Arten konnten bei der Vertreibung der Bevölkerung nach Kriegsende gerettet werden. Alle zurückgebliebenen Tiere wurden leider vernichtet. Der besondere Zuchtverband für diese Rassen erhielt und vermehrte sie erfolgreich bundesweit wieder.
Über Generationen bemühte man sich, die Vielfalt der Wollen durch Abmessen der Fasern und Haaranteile im Querschnitt zu unterscheiden. Das blieb unbefriedigend, weil schon die genannten Bestandteile der Vliese erheblich variieren und Kräuselung und Stärke jeder Faser wechseln. Maschinelle Verarbeitung der Wolle ergab den Anreiz zu möglichst haarfreien Wollen. Eigentlich täuschend erfand man dafür den Begriff der Feinwollstoffe. Merinowollfasern zum Beispiel, die als besonders weich gelten, sind bedeutend dicker als jene ihrer angepaßten Vettern.
Die erfahrensten Benutzer der Wolle dürften seit jeher die Vögel gewesen sein. Sie nutzten gekonnte nicht nur deren Wärmehaltung, sondern zugleich die Binde- und Haftfähigkeit. Kein Mensch könnte aus Zweigen, Blättern und Moos mit Vlieshaaren und Wollfasern als Fäden auch nur ein einziges Nest eines Zaunkönigs oder eine Blaumeise, erst recht nicht die hängenden Nester etwa eines Pirols oder einer Schwanzmeise tauglich zustande bringen.
Erstaunlich haltbar und ganz leicht sind solche Kinderstuben, die Astbewegungen und Sturm ebenso trotzen wie den zunehmend ungestümen Bewegungen der Jungvögel. Die dort beobachtete elastische Haftfähigkeit der feinen Bindefasern beruht wesentlich auf deren wolltypischen winzigen Außenschuppen und damit der Filzfähigkeit. Wache Beobachtungen am Nest einer Blaumeise in Gießen und andere bewiesen nicht nur die vorstehenden Einzelheiten, sie regten auch Beobachtungen zur Lichtreflexion an. Nach vielen mühevollen Probenuntersuchungen und Versuchen erkannte man die einfache und zuverlässige Unterscheidungsmöglichkeit der Vliesfasern anstelle bisheriger unsicherer Messungen.
Die Beurteilungsmöglichkeiten, die sich aus der Dissertationsarbeit von Dr. G. Kurt (Charakterisierung und Verwendung der Mischwollen von Ostdeutschen Skudden und Rauhwolligen Pommerschen Landschafen) ergeben, sichern nicht nur die Unterscheidung verschiedener Wollen. An Flanke, Rücken, Keule und Schwanzansatz der Schafe offenbaren solche einfachen, gekonnten Beobachtungen der Vliesunterschiede sichere Hinweise auf die Eigenschaften der Tiere, ihre Herkunft und Nachzucht. ZV
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